(Symbolbild) Landwirte, die mit Spritzmitteln arbeiten, haben ein höheres Risiko, am Parkinson-Syndrom zu erkranken
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(Symbolbild) Landwirte, die mit Spritzmitteln arbeiten, haben ein höheres Risiko, am Parkinson-Syndrom zu erkranken

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Parkinson bei Landwirten: Droht eine Kostenlawine?

Für Landwirte ist Parkinson seit 2024 als Berufskrankheit anerkannt. Der Grund: Pestizide können nachweislich das Risiko für die Krankheit erhöhen. Betroffene können jetzt die Anträge stellen – die Berufsgenossenschaft fürchtet eine Kostenlawine.

Über dieses Thema berichtet: Aus Landwirtschaft und Umwelt am .

Landwirte, die mit Spritzmitteln arbeiten, haben ein höheres Risiko, am Parkinson-Syndrom zu erkranken – das ist wissenschaftlich untersucht. Deshalb gab es im vergangenen Jahr eine Empfehlung, das "Parkinson-Syndrom durch Pestizide" in die Berufskrankheiten-Verordnung aufzunehmen. Betroffene Patienten können nun bei der landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft (SVLFG) (externer Link) einen Antrag stellen und prüfen lassen, ob sie für eine solche individuelle Anerkennung in Frage kommen.

Berufsgenossenschaft befürchtet Kostenlawine

Von den etwa 8.000 Anträgen werde derzeit nach Angaben der SVLFG noch etwa 2.600 geprüft. "Bisher wurden 13 Fälle als Berufskrankheit anerkannt", heißt es in einem Schreiben an den BR. Die Berufsgenossenschaft fürchtet nun eine Kostenlawine auf sich zukommen. Für die Behandlung eines anerkannten Falls einer Parkinson-Berufserkrankung geht die SVLFG von jährlichen Kosten von 30.000 Euro aus.

Diese Summe sei eine Schätzung, so die SVLFG, und ergebe sich "aus den durchschnittlichen Behandlungskosten für einen gesetzlich krankenversicherten Parkinsonerkrankten zuzüglich eventueller Renten- und Pflegeleistungen, die im Falle einer Anerkennung gegebenenfalls durch die Berufsgenossenschaft geleistet werden können".

Kosten in dreistelliger Millionenhöhe erwartet

Die SVLFG geht von 300 bis 400 Millionen Euro Gesamtkosten in den nächsten drei bis vier Jahren aus. Denn eine "Anzahl von 3.000 entschädigungspflichtigen Fällen" liege "durchaus im einzukalkulierenden Rahmen", heißt es von Seiten der SVLFG. Anerkannt werden allerdings nur Fälle, wo ein sogenanntes primäres Parkinson-Syndrom vorliegt und die Ursache tatsächlich im Umgang mit Pestiziden liegt. Die Landwirte müssen hierfür nachweisen, dass sie mindestens 100 Tage ihres Berufslebens mit Spritzmitteln in Berührung gekommen sind – und dass sie ein primäres Parkinson-Syndrom haben.

Komplizierter Nachweis des primären Parkinson-Syndroms

Der Neurologe Christian Lechner ist Chefarzt im Helios Amper-Klinikum Dachau und Vorsitzender des Parkinson-Netzwerks Dachau/München Nord. Er hält diesen Nachweis für komplex.

Lechner erklärt, man müsse sehr viel über die Patienten wissen und sehr viel an Informationen einholen, außerdem gründlich untersuchen "und vielleicht sogar noch Nachuntersuchungen einfordern, weil eben vielleicht die Diagnose nicht eindeutig ist". Erst dann könne ein entsprechendes Gutachten erstellt werden.

Er empfiehlt den betroffenen Landwirten daher, immer zu neurologischen Fachleuten mit entsprechender Expertise zu gehen. "Auf jeden Fall brauche es immer ein Kernspintomogramm vom Kopf", so Lechner. Außerdem könnten Stoffwechseluntersuchung helfen, die Diagnose einzugrenzen.

Arbeitsmedizinerin fordert bessere Aufklärung

Monika Rieger von der Uniklinik Tübingen ist Mitglied im Sachverständigenbeirat Berufskrankheiten. Der war beteiligt an der wissenschaftlichen Empfehlung, das Parkinson-Syndrom durch Pestizide als Berufskrankheit zu listen.

Bei einer Anhörung im Bayerischen Landtag sprach sich die Arbeitsmedizinerin kürzlich für bessere Informationen zum Schutz vor Pestiziden aus. Da die Krankheit Parkinson nun als Berufskrankheit anerkannt sei, müsse es zu mehr Präventionsanstrengungen kommen, erklärte sie im BR. Sie hat sich den Internetauftritt der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL) angeschaut. Tendenziell habe sie den Eindruck, "Schutzmaßnahmen werden nicht motivierend kommuniziert". Rieger wünscht sich, dass Landwirten besser erklärt wird, dass der Schutz deren Gesundheit dient und nicht nur wegen der Anwendungsbestimmungen eingehalten werden müsse.

Arbeitsrechtliche Forderung: Mehr Schutz für alle Landwirte

Aus arbeitsrechtlicher Sicht gebe es, so Rieger, eine klare Hierarchie von Maßnahmen, die auch durch EU-Richtlinien und durch das Arbeitsschutzgesetz vorgegeben würden. Zuerst müsse geprüft werden, ob auch mit weniger Pestiziden gearbeitet werden kann. Danach kämen technische Maßnahmen, wie etwa dichte Traktorkabinen. Organisatorisch müsse für Unterweisungen gesorgt werden, etwa den Sachkundenachweis Pflanzenschutz, der auch jetzt schon verpflichtend ist. Und am Ende gebe es noch den persönlichen Schutz, beispielsweise durch Schutzkleidung.

Wer trotz aller Vorsichtsmaßnahmen an Parkinson erkrankt, der brauche dann für die Anerkennung als Berufskrankheit wahrscheinlich eine "medizinische Einzelfallprüfung", erklärt Neurologe Christian Lechner.

Im Video: Parkinson als Berufskrankheit bei Landwirten

Ein Landwirt bringt ein Pflanzenschutzmittel auf einem Feld aus
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Ein Landwirt bringt ein Pflanzenschutzmittel auf einem Feld aus

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