Für die Bauern in der Region ist dieses unscheinbare, zwei Meter tiefe Loch ein Ärgernis: Der Brunnen ist die offizielle Nitratmessstelle im nordschwäbischen Kesseltal. Das Problem: Der Nitrat-Wert ist doppelt so hoch wie erlaubt. 200 Quadratkilometer Fläche gelten deshalb als sogenanntes "Rotes Gebiet", in dem Beschränkungen beim Düngen gelten. Für die Landwirte bedeutet das Ertragseinbußen. Allerdings: Nitrat kann sich im menschlichen Körper umwandeln und ist dann gesundheitsschädlich.
Landwirte hatten Wald im Verdacht
Doch stammt das Nitrat im Wasser wirklich aus der Landwirtschaft? Die Bauern aus der Umgebung – organisiert in einer Interessengemeinschaft – hatten da Zweifel. Ein Grund: ein Wald nebenan. Dort hat vor 20 Jahren ein Sturm viele Bäume umgeworfen. Und prinzipiell könnte tatsächlich aus einem offenliegenden Waldboden Nitrat ins Grundwasser ausgewaschen werden.
75 Prozent des Nitrats aus Gülle
Doch das Ergebnis der Untersuchung im Auftrag des Wasserwirtschaftsamts Donauwörth ist eindeutig: 75 Prozent des Nitrats im Wasser der Messstelle stammen aus Gülle. Das hat eine Isotopenuntersuchung ergeben. Mit der lässt sich die Herkunft des Nitrats bestimmen. Hier wurden die Wasserproben gezielt auf Nitrat aus Gülle untersucht. Über neun Monate hinweg wurden zunächst täglich und dann wöchentlich Proben analysiert.
Die übrigen 25 Prozent des Nitrats ordnet das Wasserwirtschaftsamt mehreren Ursachen zu: Dem Waldboden genauso wie Mineraldünger oder Stickstoff aus der Luft, der mit dem Regen im Boden landet. Laut dem Wasserwirtschaftsamt waren die Ergebnisse am Ende so wie erwartet: "Die Untersuchungen haben unsere routinemäßigen Einschätzungen gedeckt", sagt Daniel Bischof vom Wasserwirtschaftsamt Donauwörth.
Bauern sehen Heideflächen als Mitverursacher des Nitrat-Problems
Doch die Bauern vor Ort überzeugt die Untersuchung nicht. Im Gespräch mit dem BR zweifeln sie an, dass 75 Prozent des Nitrats aus Gülle stammen. Sie bringen stattdessen die kaum landwirtschaftlich genutzten Heideflächen in der Gegend als mögliche Mitverursacher ins Spiel. Mit dem Argument, dass dort nicht regelmäßig geerntet und damit Biomasse entzogen würde: "Wo keine Abfuhr ist, wo keine Ernte ist, da sind enorme Stickstoffmengen drin", sagt Landwirt Albert Sporer.
Wasserwirtschaftsamt widerspricht Landwirten
Das Wasserwirtschaftsamt widerspricht auf BR-Nachfrage: Aufgrund der Isotopenuntersuchung "kann man ausschließen, dass dieses Nitrat aus natürlichen Prozessen auf Heideflächen in der Umgebung stammt", teilt Daniel Bischof mit. Er lobt die Zusammenarbeit mit den Landwirten bei der 25.000 Euro teuren Untersuchung aber explizit. Die Bauern hatten unter anderem geholfen, die täglichen Rückstellproben zu ziehen.
Wasser im Schnitt elf Jahre alt
Viele Landwirte zweifeln auch an der Wirksamkeit strengerer Dünge-Regeln, weil oft unklar ist, wann sich die Änderung im Grundwasser bemerkbar machen. Auch hier liefert die Untersuchung für den Standort im Kesseltal ein klares Ergebnis: Das Wasser der Messstelle ist im Schnitt elf Jahre alt.
Dass die Nitrat-Belastung in den letzten Jahren spürbar zurückgegangen ist, führt man beim Wasserwirtschaftsamt auch auf die Dünge-Beschränkungen der letzten Jahre zurück. Das gilt aber nur für das Kesseltal. Weil sich Klima, Boden und Geologie in Bayern stark unterscheiden, seien die Ergebnisse nicht übertragbar.
Schlechtere Ernte wegen Dünge-Beschränkungen
Im Kesseltal führt die eine "schlechte" Messstelle dazu, dass 200 Quadratkilometer "Rotes Gebiet" sind. Für Landwirt Albert Sporer nicht nachvollziehbar: "Mein Hof liegt acht Kilometer entfernt und die Wahrscheinlichkeit, dass etwas von dort hier in dem 1,80 Meter tiefen Brunnen eine Auswirkung hat, ist gleich null!"
"Rotes Gebiet" schrumpft wahrscheinlich
Künftig werden vier weitere Messstellen für die Eingrenzung des "Roten Gebiets" im Kesseltal herangezogen. An den neuen Messstellen liegen die Nitrat-Werte unter dem Grenzwert. Nach Einschätzung des Wasserwirtschaftsamtes wird sich das "Rote Gebiet" im Kesseltal deshalb verkleinern. Wann genau die Änderung in Kraft tritt, steht aber noch nicht fest.
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