Nach 24 Jahren sitze ich wieder in einem Fahrschulauto. Mit Prüfer Christian Schmid vom TÜV will ich testen, ob die Prüfungen schwerer geworden sind – und ob ich bestehen würde. Ich bin zuversichtlich, als ich starte. Doch was ich nicht sehe: Prüfer Schmid notiert schon Minuspunkte. Dabei steht der härteste Test noch bevor.
41 Prozent fallen inzwischen durch die theoretische Prüfung, so der TÜV-Verband. 2014 waren es lediglich 32 Prozent. Und in der Praxis scheitern 30 Prozent (26 Prozent 2014). Jeder gescheiterte Versuch steigere die mentale Belastung und führe zu weiteren Kosten, heißt es vom Verband.
Tränen in der Theoriestunde
Wie hoch der Druck sein kann, erlebe ich in einer Augsburger Fahrschule, die ich vor meinem Selbstversuch besuche. Theorieunterricht, eigentlich lockere Stimmung. Doch in einer Pause berichtet eine junge Frau, dass sie schon mehrfach durch die Theorieprüfung gefallen ist. Ihre Stimme bricht, sie wischt sich Tränen aus den Augen. "Ich habe gesehen, wie auch andere da weinend rausgegangen sind." Die Übungsstunden zahlt sie von dem Geld, das ihr Opa ihr vererbt hat. Fast 4.000 Euro kostet sie der Führerschein.
Inhaltlich verändert habe sich bei der Theorie vor allem der Fokus auf eine umweltschonende Fahrweise. Doch problematischer sei der Druck, sagt Fahrlehrerin Sabine Keinath: "Heute fließt ganz viel auf die jungen Menschen ein. Von der Schule, durch Social Media." Deswegen habe die Führerschein-Vorbereitung nicht mehr die Priorität wie früher, sagt Keinath. "Eine Schülerin hat mir vor der Prüfung gesagt, sie könne nicht teilnehmen. Wegen Burnout."
Immer mehr Betrügereien
Immer mehr versuchen inzwischen, bei der Prüfung zu betrügen. Im vergangenen Jahr wurden 4.198 Fälle festgestellt – 12 Prozent mehr als im Vorjahr, so der TÜV-Verband. "Manche haben einen Knopf im Ohr und tragen eine Brille, in die eine Kamera eingebaut ist", berichtet mir Fahrlehrerin Keinath. "So kann ihnen jemand die richtige Lösung aufs Ohr sagen." Mehr als die Hälfte würde laut dem TÜV-Verband auf solch professionelle Weise betrügen: "Zusammenarbeit mit Dritten, Passmissbrauch oder Urkundenfälschung."
Wer betrügt, könne bis zu neun Monate für Prüfungen gesperrt werden. Doch das passiere selten und die maximale Dauer werde kaum ausgeschöpft, kritisiert der Verband. Nur wenn jemand einen Stellvertreter schicke, sei dies strafrechtlich relevant. Ansonsten werde Betrug in der Fahrprüfung weder als Straftat noch als Ordnungswidrigkeit geahndet. Problematisch, findet der TÜV. Denn wer sich eine Prüfung "ergaunert" und nicht die entsprechenden Kenntnisse für den Straßenverkehr habe, berge "ein erhebliches Risiko für die Sicherheit anderer".
Fahrschulen setzen auf Simulatoren
Immer mehr Fahrschulen bieten nun Simulatoren an. Eine Kamera kontrolliert, ob man sich anschnallt und an den Schulterblick denkt. Der Sitz ruckelt. Unter den Bildschirmen Pedale für Gas, Kupplung, Bremse. Bei der Fahrschule Keinath können Schüler daran üben, wann und so oft sie wollen. "Gerade das Kuppeln kann man hier super trainieren", sagt Fahrlehrerin Keinath. Ein Versuch, um effizienter zu schulen und Schülern Kosten zu sparen.
Für mich geht es dagegen direkt ins Fahrschulauto. Als ich auf dem TÜV-Gelände ankomme, gehen gerade zwei Prüfungen zu Ende. Beide Schüler sind durchgefallen. Auch ich werde nun nervös. "Lächeln und tief durchatmen", rät mir Fahrprüfer Christian Schmid. Dann geht es los.
Selbstversuch im Fahrschulauto
Mit jedem Kilometer werde ich entspannter. Die Routine kommt zurück. Doch das heißt nicht automatisch, dass ich korrekt fahre: mal ist der Abstand zu kurz, dann drehe ich das Lenkrad mit dem Handballen. Anders als dem Prüfer fällt mir der "Tellerwäscher"-Move gar nicht auf.
Dann schickt mich Prüfer Schmid in eine zufahrtsbeschränkte Zone: "Montag bis Freitag, 10 bis 14 Uhr, Berechtige frei", steht auf dem Schild. Dahinter weitere Verkehrszeichen. Mein Hirn rattert, langsam rolle ich vorwärts. Die beginnende Fußgängerzone übersehe ich. "Und hier ist die Prüfung vorbei", sagt Schmid auf dem Rücksitz. Auch ich bin durchgefallen.
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