Eine Einbürgerungsurkunde der Bundesrepublik Deutschland. Im Hintergrund sind unscharf Blumen zu erkennen. Oben im Bild ist der Schriftzug von "Dein Argument" zu sehen.
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Eine "Turbo-Einbürgerung" nach drei Jahren soll es in Deutschland künftig nicht mehr geben. Das hat das Kabinett beschlossen. (Symbolbild)

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"Turbo-Einbürgerung" vor dem Aus: Die Zahlen dahinter

In Sachen Migration will die neue Bundesregierung einen härteren Kurs als die Ampel-Regierung fahren. So ist etwa das Aus der "Turbo-Einbürgerung" nach drei Jahren Aufenthalt geplant. Wie viele Menschen haben diese überhaupt wahrgenommen?

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Die Bundesregierung verschärft den Kurs in Sachen Migration. Auf drei wesentliche Gesetzesänderungen hat sich das Kabinett kürzlich verständigt. So soll unter anderem die "Turbo-Einbürgerung" nach drei Jahren Aufenthalt in Deutschland "ersatzlos gestrichen" werden. Sie wurde im vergangenen Jahr von der Ampelregierung eingeführt, im gleichen Zug setzte sie die Zeit einer gewöhnlichen Einbürgerung von acht auf fünf Jahre herunter.

Expertin: "Turbo-Einbürgerung" verlangt "Turbo-Integration"

Durch die Einführung der "Turbo-Einbürgerung" wurde es außerdem möglich, bereits nach drei Jahren Aufenthalt in Deutschland eingebürgert werden zu können. Dafür müssen die Eingewanderten allerdings einige Bedingungen erfüllen. "Die 'Turbo-Einbürgerung' nach drei Jahren verlangt eben auch eine 'Turbo-Integration'", erklärt Expertin Petra Bendel vom Center for Human Rights der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (CHREN). Bendel war 2021 Leiterin des Sachverständigenrats, der der Regierung die "Turbo-Einbürgerung" empfohlen hatte.

Die Grundlagen seien ein dreijähriger Aufenthaltstitel, geklärte Staatsangehörigkeit, Straffreiheit und ein sehr hohes Niveau an Deutschkenntnissen (C1). Zudem müssten die Betroffenen besonders gute Leistungen im Bildungs- und Arbeitsbereich oder ehrenamtliche Tätigkeiten nachweisen, den eigenen Lebensunterhalt und den von Familienmitgliedern ohne Unterstützung sichern können und sich zur Grundordnung der Bundesrepublik bekennen.

Wie viele Fälle gab es in Bayern?

Angesichts der Tatsache, dass die Zahl der Einbürgerungen im vergangenen Jahr bundesweit stark gestiegen ist, könnte man annehmen, dass die "Turbo-Einbürgerungen" etwas damit zu tun haben. Ein BR24-Nutzer bat per E-Mail um Einordnung, wie viele Fälle es seit der Einführung gegeben hat.

Auf BR24-Anfrage erklärt eine Sprecherin des bayerischen Innenministeriums, dass im Freistaat zwischen dem Inkrafttreten am 27. Juni 2024 und Ende April 2025 78 Menschen von der "Turbo-Einbürgerung" Gebrauch gemacht hätten. Das entspreche rund 0,14 Prozent der in diesem Zeitraum eingebürgerten knapp 55.000 Menschen.

Anfragen bei Städten in Bayern bestätigen dies. So teilt beispielsweise die Stadt Nürnberg auf Anfrage mit, dass es seit der Einführung bis Ende Mai zwölf "Turbo-Einbürgerungen" gegeben habe. In Regensburg seien es fünf gewesen, in München eine. Bamberg und Augsburg haben die Zahl nach eigener Aussage nicht gesondert erfasst. Der Anteil sei "verschwindend gering bis nicht existent" gewesen, heißt es aus Bamberg.

Darum gab es 2024 mehr Einbürgerungen in Deutschland

Die Gründe für den Anstieg der Einbürgerungen seien andere, erklärt Bendel vom CHREN. Zum einen seien nun viele Einwanderer, etwa die, die in den Jahren 2015 und 2016 aus Syrien nach Deutschland gekommen sind, lange genug hier, um eingebürgert zu werden. Zum anderen akzeptiere die Bundesrepublik seit der letzten Reform des Staatsangehörigkeitsrechts die Mehrstaatigkeit. "Davon machen besonders viele Türkischstämmige Gebrauch, die oft schon seit Jahrzehnten in Deutschland leben", sagt Bendel.

War die "Turbo-Einbürgerung" ein "Pull-Faktor"?

Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) erklärte in einer Mitteilung des Innenministeriums, die Reformen sollten unter anderem Ordnung in das Migrationsgeschehen bringen und "Pull-Faktoren" senken. Unter dem Begriff "Pull-Faktoren" versteht man positive Anreize in Ländern, die Menschen anziehen. Dazu gehören laut Theorie ein höherer Lebensstandard oder auch viele Arbeitsplätze. "Push-Faktoren" seien dagegen Gründe, die Menschen dazu bringen, ihr Land zu verlassen, wie Kriege oder Klimakatastrophen. Migrationsforscher halten das Konzept der Push- und Pull-Faktoren für überholt (externer Link).

Auch Petra Bendel erklärt, dass es dafür, dass die "Turbo-Einbürgerung" ein Pull-Faktor sein könne, "keinerlei empirischen Belege" gebe, insbesondere, weil die Regelung wegen ihrer hohen Anforderungen nur sehr wenige Einbürgerungen betreffe.

Bürokratie führte zu Wartezeiten

In der Praxis sei es aber sowieso selten vorgekommen, dass infrage kommende Personen den deutschen Pass bereits nach einem dreijährigen Aufenthalt bekommen hätten, erklärt eine Sprecherin des Diakonischen Werks Bayern auf BR24-Anfrage. Dies liege vornehmlich an den Bearbeitungszeiten der Behörden, die laut Diakonie in den meisten Fällen bei mindestens 12 bis 18 Monaten lägen.

Von den Reformen der neuen Bundesregierung unberührt bleibt die Einbürgerung nach fünf Jahren.

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