Nach einem holprigen Start hält der neu gewählte Kanzler Friedrich Merz heute seine erste Regierungserklärung. Merz war erst im zweiten Anlauf zum Kanzler gewählt geworden – das hat es in der Geschichte der Bundesrepublik noch nie gegeben. Für den Wissenschaftsjournalisten Harald Lesch war das ein Schock. Er habe gedacht, dass sich die Koalition im Vorfeld gut abgesprochen hätte und dass es sicher sei, dass "da nichts passieren kann". Für Lesch ist damit das Vertrauen in die Demokratie beschädigt worden. Das hätte nicht passieren dürfe.
"Europa soll sich wieder auf Deutschland verlassen können"
Die Erwartung an die neue Regierung ist für Harald Lesch klar: Sie soll "die Probleme lösen, die da sind". In Bezug auf die europäische Zusammenarbeit wünscht er sich, "dass sich Europa wieder auf Deutschland verlassen kann".
Die Regierung Merz macht es den europäischen Nachbarn in dieser Beziehung aktuell nicht leicht. Schärfere Grenzkontrollen gegen irreguläre Migration sorgten in den vergangenen Tagen für Missstimmung. So hatte etwa Polens Regierungschef Donald Tusk der neuen Bundesregierung vorgeworfen, sie hebele das Schengen-System aus.
Über die Pläne der neuen Bundesregierung – nach Friedrich Merz' erster Regierungserklärung am Mittwoch – diskutiert heute Abend die Münchner Runde um 20.15 Uhr im BR Fernsehen. Neben Harald Lesch sind CSU-Generalsekretär Martin Huber, die Politikwissenschaftlerin Jasmin Riedl und Anton Hofreiter von der Grünen-Bundestagsfraktion zu Gast. Moderiert wird die Sendung von BR-Chefredakteur Christian Nitsche.
Aufstellung zusätzlicher Grenzbeamter "Aktionismus"
Für Lesch wurde das Thema Migration "hochgehyped" und dies, obwohl doch die Politikwissenschaft eindeutig gezeigt habe, dass die Versuche konservativer Parteien, weiter nach rechts zu rücken, bisher immer erfolglos gewesen seien. "Die Leute, die wirklich die AfD wählen wollen, aus welchen Gründen auch immer, die wählen immer das Original." Er bezeichnete den Einsatz zusätzlicher Grenzbeamten als "Aktionismus" und riet dem neuen Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU), sich erstmal mit seinem neuen Ministerium vertraut zu machen, statt "ultraschnelle" Entscheidungen zu treffen. Er sagte, "diese Art von 'Trumpisierung' der Politik, dass man quasi per Dekret irgendwas macht, halte ich für völlig falsch." Die Probleme seien dafür zu komplex.
Stattdessen plädiert Lesch dafür, die Kommunen und die Infrastruktur zu stärken. Die AfD habe keine konstruktiven Politikansätze, "insofern kann eine gute Politik, die auch Probleme löst, hier die wirkliche Alternative für Deutschland darstellen". Der Otto-Normalverbraucher, der täglich mit Fragen dazu konfrontiert sei, ob etwa die Schulen, das Digitalnetz oder die Bahn funktionierten, frage sich sonst: "Was machen die denn im Parlament?"
Energierevolution 4.0 - "Deutschland ist ganz vorne mit dabei"
Zudem kritisiert Lesch, dass der Umstieg auf erneuerbare Energien zu langsam sei. Den Klimawandel müsse man ernst nehmen. Es sei notwendig, dass die Bundesregierung jetzt die Voraussetzungen für mehr Speichermedien schaffe. Denn der Markt habe längst entschieden. "Wir haben es mit einer Energierevolution 4.0 zu tun”, und in diesem Bereich sei Deutschland eigentlich die Avantgarde. "Wir sind in Deutschland ganz vorne mit dabei und wenn wir noch schneller werden, sind wir noch weiter vorne mit dabei", so Lesch.
Es gelte, Speicherlösungen zu entwickeln, für die Unmengen an erneuerbaren Energien, die zur Verfügung stünden, anstelle von neuen Kraftwerkstypen. Er kritisierte insbesondere die immer wiederkehrende Debatte um den Wiedereinstieg in die Kernenergie. Auch die Kernfusion als Lösung in naher Zukunft zu versprechen und vor allem, daran zu glauben, ist laut Lesch "haarsträubender Unsinn". An diesen Technologien weiter zu forschen, sei dagegen wichtig.
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