Die Welt ist in Bewegung, Friedrich Merz ist es auch. Paris, Brüssel, Kiew, Washington: Diese und weitere Reisen hat der Kanzler bereits unternommen – und damit seinen außenpolitischen Fokus in den ersten Wochen seiner Amtszeit klar gesetzt.
Wenn Merz jetzt von seiner jüngsten G7-Gipfel-Reise aus Kanada zurückkehrt, erwartet ihn in Berlin ein innenpolitisch bedeutender Termin: die Ministerpräsidentenkonferenz. Bei der letzten Runde der Länderchefs musste Merz passen – Trump hatte gerufen, Merz war ins Oval Office gereist. Im Ausland kann der Kanzler bislang punkten. Die Krisen weltweit sind enorm – doch auch im Inland türmen sich Aufgaben, die dringend angegangen werden müssen. Nur: Gelingt Merz der Spagat zwischen Außen- und Innenpolitik?
Ministerpräsidentenkonferenz: Wirtschaft im Fokus
Klar ist: Das Verhältnis des Kanzlers zu den Bundesländern kann seine Amtszeit entscheidend prägen. Stichwort: Föderalismus. Die Ministerpräsidentenkonferenz wird zur Bewährungsprobe – an Gesprächsstoff mangelt es jedenfalls nicht.
Seit Tagen wird beispielsweise über den geplanten "Investitionsbooster" der neuen schwarz-roten Bundesregierung diskutiert. Booster – ein politisches Buzzword, das Hoffnung verbreiten und die Wirtschaft ankurbeln soll. Im Kern geht es darum, Unternehmen steuerlich zu entlasten, etwa beim Kauf von E-Dienstwagen. Sonderabschreibungen von bis zu 30 Prozent pro Jahr sollen bis 2027 auf Maschinen möglich sein, ab 2028 eine schrittweise Senkung der Körperschaftssteuer – eine Steuer, die viele Firmen auf ihre Gewinne zahlen müssen. CDU/CSU und SPD wollen damit, wie im Wahlkampf beworben und im Koalitionsvertrag vereinbart, die Wettbewerbsfähigkeit stärken.
Klaus Josef Lutz, Präsident der Bayerischen Industrie- und Handelskammer (BIHK), mahnte bei der aktuellen Vorstellung der BIHK-Konjunkturumfrage: "Die deutsche und bayerische Wirtschaft braucht endlich wirksame Entlastungen und Rückenwind." Die Wirtschaft schwächelt – und soll mit dem Booster entlastet werden. Das unterstützen auch die Länder, doch der Booster bedeutet gleichzeitig: Steuerausfälle für Bund, Länder und Kommunen – und zwar in Höhe von fast 46 Milliarden Euro bis 2029. Davon gehen den Ländern rund 16,5 Milliarden Euro verloren, den Kommunen an die 13,5 Milliarden Euro.
Keine Kritik von Söder: Spezialfall Bayern
Dass Länder und Kommunen somit den Großteil der Einnahmeausfälle tragen, stößt in Zeiten knapper Kassen auf Widerstand. Die Länder – parteiübergreifend – fordern einen finanziellen Ausgleich durch den Bund. Die CDU-Ministerpräsidenten wandten sich in einem offenen Brief an den Kanzler: "Wer bestellt, soll auch bezahlen."
Wer nicht unterzeichnete: CSU-Chef Markus Söder. Aus Bayern kommt diesmal keine Kritik – im Gegenteil. Bundesratsminister Florian Herrmann (CSU) machte jüngst im Bundesrat deutlich: "Bayern ist klar für das Gesetz. Viele Bundesländer fürchten die Steuermindereinnahmen. Wir denken anders: Die Wirtschaft braucht diesen Investitionsbooster dringend als Wachstumsimpuls. Wenn wir die Wirtschaft jetzt richtig anschieben, machen die Unternehmen wieder mehr Gewinne, sichern Arbeitsplätze und erzeugen so automatisch auch mehr Steuereinnahmen für Staat und Kommunen."
Es ist das Prinzip Hoffnung, auf das gebaut wird. Kritiker meinen: Bayern hält sich zurück, die CSU ist nun Teil der Regierung, Söder selbst hat den Koalitionsvertrag mitverhandelt – inklusive Projekten mit CSU-Handschrift: Mütterrente, sinkende Gastrosteuer, subventionierter Agrardiesel. Kostspielige Vorhaben, die bei einem zu großen Entgegenkommen gegenüber den Ländern und Kommunen in ihrer jetzigen Form wackeln könnten.
Eine Einigung beim Investitionsbooster ist beim Treffen mit den Ministerpräsidenten nicht zu erwarten – das hat auch Finanzminister Lars Klingbeil (SPD) bereits deutlich gemacht. Im Vordergrund wird die Atmosphäre stehen. Hinter den Kulissen jedoch laufen die Gespräche zwischen Bund und Ländern weiter – begleitet von einer eigens eingesetzten Arbeitsgruppe.
Die Rufe aus der Wirtschaft jedenfalls lauten: "Es kann nicht schnell genug vorwärtsgehen", so BIHK-Präsident Lutz. Merz selbst hatte das Ziel ausgerufen: Bis zum Sommer sollten die Menschen Veränderungen spüren. Doch der Sommer steht vor der Tür – und mit ihm die Realität der politischen Prozesse. Überzeugungsarbeit und Gesetze brauchen Zeit. Denn: Nicht nur der Bundestag muss dem Booster zustimmen – auch die Bundesländer im Bundesrat. Für Kanzler Merz ist es ein Spagat zwischen Weltpolitik und Wirtschaftsförderung, zwischen Außen- und Innenpolitik. Der wahre Balanceakt beginnt erst.
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