Die Europaparlamentsfraktion um CDU und CSU hat mit der Unterstützung rechter und rechtspopulistischer Parteien den Weg für eine Abschwächung des Lieferkettengesetzes freigemacht. Unter anderem sollen die Vorgaben künftig nur noch für wenige sehr große Unternehmen gelten und es soll keine Pflicht bestehen, Handlungspläne für Klimaziele auszuarbeiten. Nun kann das Parlament finale Verhandlungen mit den EU-Staaten über das Vorhaben aufnehmen.
Konkret kam die Mehrheit zustande unter anderem durch Abgeordnete der EVP-Fraktion, zu der CDU und CSU gehören, aber auch der rechtskonservativen EKR, zu der etwa die Partei von Italiens rechter Ministerpräsidentin Giorgia Meloni gehört.
Auch die Abgeordneten des Rechtsaußen-Bündnisses PfE um Ungarns Regierungschef Viktor Orbán und der Partei Rassemblement National (RN) von Frankreichs Rechtspopulistin Marine Le Pen sowie der ESN-Fraktion, der unter anderem die AfD angehört, sprachen sich dafür aus.
EVP jubelt, AfD auch
"Heute ist ein guter Tag für Europas Wettbewerbsfähigkeit", sagte der Fraktionsvorsitzende der EVP, Manfred Weber (CSU), nach der Abstimmung.
Einer Mehrheit auf der rechten Seite sei es gelungen, schädliche Klima-Gesetzgebung abzuschwächen und dringend benötigte Entlastungen für unsere Unternehmen zu erreichen, teilte die AfD-Abgeordnete Mary Khan mit.
Kritik gibt es daran, dass die EVP nicht auf eine sonst übliche Mehrheit gesetzt hat, die sie normalerweise versucht, mit Sozialdemokraten und Liberalen zu bilden.
Liberale, Sozialdemokraten und Grüne kritisieren EVP
"Wer Änderungsanträge einbringt, die nur mit Extremisten durchsetzbar sind, kooperiert mit ihnen", teilte der zuständige SPD-Europaabgeordnete René Repasi mit. Manche Änderungsanträge zur Abschwächung der Lieferkettenrichtlinie wären ohne die Stimmen von Fraktionen am rechten Rand des Parlaments nicht durchgegangen, wie aus den Abstimmungsergebnissen hervorgeht.
Der SPD-Politiker betonte: "Auf die Stimmen der AfD kam es nicht an, so dass deutsche Rechtsextreme hierfür nicht notwendig waren." Aber es seien Stimmen aus den Lagern etwa von Le Pen und Orbán notwendig gewesen.
Die Vorsitzende der liberalen Renew-Fraktion, Valérie Hayer, sprach von einer "rücksichtslosen Bereitschaft, sich auf Kosten der pro-europäischen Mitte Europas auf die Seite der extremen Rechten zu stellen". Die Grünen-Abgeordnete Anna Cavazzini sprach nach der nun gefundenen Mehrheit von einer Grenzüberschreitung. Erstmals habe Webers EVP ein Gesetz bewusst und kalkuliert mit den Stimmen der extrem Rechten durch das Parlament gebracht, so die Abgeordnete.
Merz rechnet mit einem "vernünftigen Kompromiss aus der politischen Mitte"
Eigentlich hatten sich Liberale, Sozialdemokraten und EVP auf Ausschussebene auf einen Kompromiss geeinigt. In einer geheimen Abstimmung fand dieser aber vor drei Wochen keine Mehrheit, was für teils heftige Kritik sorgte. So nannte Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) die Entscheidung des Parlaments "inakzeptabel" und forderte eine Korrektur.
Nach der erfolgreichen Abstimmung begrüßte er die Entscheidung. Er gehe davon aus, dass bei den bevorstehenden finalen Verhandlungen ein vernünftiger Kompromiss möglich sei, dem die Fraktionen der politischen Mitte – EVP, S&D und Liberale – zustimmen könnten.
Neue Regeln für Großunternehmen
Der gescheiterte Kompromiss sah vor, dass die Vorgaben nur noch für Großunternehmen mit mehr als 5.000 Mitarbeitern und einem Jahresumsatz von mindestens 1,5 Milliarden Euro gelten. Ursprünglich waren als Grenze 1.000 Mitarbeitende und eine Umsatzgrenze von 450 Millionen Euro vorgesehen.
Am Ende fehlten nur wenige Stimmen für eine Mehrheit. Nun wurden hunderte Änderungsanträge der Fraktionen eingereicht, über die der Reihe nach abgestimmt wurde. So will das Parlament etwa mildere Strafen ermöglichen, sollten sich Unternehmen nicht an die Vorgaben halten. Die Vorgabe zur Mitarbeiterzahl bleibt bei 5.000, ebenso die Umsatzgrenze von 1,5 Milliarden Euro.
Künftig wechselnde Mehrheiten?
Im EU-Parlament gibt es eigentlich einen sogenannten Cordon Sanitaire – eine Art informelle Übereinkunft der EVP, S&D, Liberalen und der Grünen –, nicht mit Rechtsaußen zusammenzuarbeiten und beispielsweise keine Anträge der PfE und ESN zu unterstützen.
Liberale, S&D und EVP haben eine knappe Mehrheit im Parlament und hatten – mit Unterstützung der Grünen und wohl auch Stimmen der rechtskonservativen EKR-Fraktion – eine Mehrheit für eine zweite Amtszeit von Ursula von der Leyen als Kommissionspräsidentin sichergestellt. Die Abstimmung dürfte auch Auswirkungen auf die künftige Zusammenarbeit haben.
Mit Informationen von dpa
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