Bundeswehr-Soldaten (Archivbild)
Bildrechte: dpa-Bildfunk/Michael Kappeler

Die Bundeswehr wird gebraucht – wie hier in Litauen: Während die Truppe im Einsatz Verantwortung übernimmt, kämpft sie mit Nachwuchssorgen.

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Wehrpflicht: Kommt sie oder nicht?

Die Bundeswehr braucht mehr Soldaten, um im Ernstfall Deutschland und auch Nato-Partner verteidigen zu können. Darin besteht weitgehend Einigkeit in Berlin. Strittig ist, ob dafür eine Rückkehr zur Wehrpflicht nötig ist. Ein Überblick.

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"Die Bundeswehr schrumpft und wird älter." So hat es im März die damalige Wehrbeauftragte Eva Högl formuliert, als sie ihren Jahresbericht vorstellte. "Diese Entwicklung muss dringend gestoppt und umgedreht werden", so die SPD-Politikerin. Die Frage ist nur, wie das Ziel erreicht werden soll. Die Diskussion darüber nimmt in Berlin Fahrt auf. Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Wie ist die Personalsituation bei der Bundeswehr?

Die Zahl der Soldatinnen und Soldaten stagniert seit Jahren bei rund 180.000 – laut aktuellem Wehrbericht bei leicht fallender Tendenz. Hinzu kommt, dass das Durchschnittsalter der Truppe etwas gestiegen ist: auf 34 Jahre. Zum Vergleich: Während des Kalten Kriegs zählte die Bundeswehr rund 500.000 Soldatinnen und Soldaten.

Warum reicht die aktuelle Personalstärke nicht?

Das führen Politiker und Fachleute auf die Bedrohung durch das russische Regime zurück. Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) beispielsweise geht davon aus, dass Moskau in wenigen Jahren militärisch in der Lage sein könnte, Nato-Gebiet anzugreifen. Als besonders gefährdet gelten die ehemaligen Sowjetrepubliken Estland, Lettland und Litauen.

Die Nato-Staaten haben vor Kurzem vereinbart, wer künftig welchen Beitrag zur gemeinsamen Verteidigung leisten muss. Für Deutschland hat Pistorius eine Zahl von zusätzlich 50.000 bis 60.000 aktiven Soldaten genannt.

Kommt die Wehrpflicht wieder?

Das ist offen. Im Koalitionsvertrag von Union und SPD findet man das Wort nicht. Stattdessen steht dort: "Wir schaffen einen neuen attraktiven Wehrdienst, der zunächst auf Freiwilligkeit basiert." In Grundzügen hat Pistorius schon vor einem Jahr, noch zu Ampelzeiten, Pläne dafür vorgestellt.

Demnach würden alle eines Jahrgangs gefragt, ob sie bereit und fit genug für den Dienst an der Waffe wären. Männer müssten, Frauen könnten antworten. Eine Teilgruppe würde gemustert, sodass am Ende jährlich rund 5.000 junge Menschen rekrutiert werden könnten.

Die Diskussion in Berlin kreist um das Wörtchen "zunächst" aus dem Koalitionsvertrag. Strittig ist, ob und in welchem Tempo das Wehrdienstmodell um verpflichtende Elemente ergänzt werden muss.

Wann geht das Wehrdienstmodell von Pistorius an den Start?

Ein Gesetzentwurf dazu ist in Arbeit. Pistorius möchte, dass das Bundeskabinett noch vor der Sommerpause einen Beschluss fasst. Also vor Mitte Juli. Dann könnte sich der Bundestag im Herbst mit dem neuen Wehrdienst beschäftigen. Ziel ist es, dass das Modell Anfang nächsten Jahres in Kraft tritt.

Was fordert die Union in der Wehrpflichtdebatte?

Bei CDU und CSU sind viele skeptisch, ob ein freiwilliger Dienst ausreicht. Der neue Wehrbeauftragte Henning Otte begrüßt das neue Wehrdienstmodell zwar im Grundsatz. Der CDU-Politiker machte vor Kurzem im BR24-Interview aber auch klar: "Sollte das nicht ausreichen, muss es verpflichtend sein."

Unionsfraktionschef Jens Spahn kommentierte den angestrebten Truppenaufwuchs am Wochenende so: "Wenn das freiwillig geht – prima. Ich habe da nur meine Zweifel." Im Gespräch mit dem ARD-Hauptstadtstudio sprach er sich dafür aus, schon jetzt mit Vorbereitungen für einen Alternativplan zu beginnen. Also beispielsweise für genügend Kasernen und Ausbilder zu sorgen. Falls sich mittelfristig zeigen sollte, dass die Ziele mit Freiwilligkeit nicht zu erreichen sind, "dann braucht es einen […] Automatismus, dass dann auch die Wehrpflicht kommt", findet Spahn.

Wie steht die SPD zur Wehrpflicht?

Die Antwort hängt davon ab, wen man fragt. Pistorius sagte dem ARD-Hauptstadtstudio am Wochenende, die Bundesregierung steige mit einem freiwilligen Modell ein – und werde dann genau beobachten, wie sich die Zahlen entwickeln. Allerdings müssten "Vorkehrungen getroffen werden für den Zeitpunkt X, zu dem die Freiwilligen nicht mehr reichen." Darüber werde man im Gesetzgebungsverfahren diskutieren, so Pistorius.

Andere in der SPD versuchen, Tempo aus der Debatte zu nehmen. Der verteidigungspolitische Sprecher der Bundestagsfraktion, Falko Droßmann, fordert, die Infrastruktur der Bundeswehr "massiv" zu verbessern und Neuzugängen flexible Laufbahnmodelle anzubieten. "Da sind wir mit Hochdruck dran." Allerdings schiebt Droßmann nach: "Wer […] allein auf Zwang setzt, macht es sich deutlich zu leicht."

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