In den Räumen des Bayerischen Landeskriminalamts läuft seit 2023 ein Experiment, das Deutschland spaltet. Auf den Bildschirmen der Ermittler erscheinen Verbindungen zwischen Personen, Orten und Ereignissen, die zuvor verborgen blieben. Die Software, die diese digitalen Verknüpfungen erstellt, trägt den Namen VeRA – und stammt vom US-Konzern Palantir Technologies.
Bayern als Vorreiter – andere Länder skeptisch
Bayern gehört in Deutschland zu Palantir-Pionieren. Das Landeskriminalamt nutzt die als VeRA bezeichnete Plattform seit dem Testbetrieb 2023. "Unser Ziel bleibt freilich eine in Europa entwickelte Software", räumt Innenminister Joachim Herrmann ein. Bis dahin will Bayern aber die existierende Technik nutzen, um keine Sicherheitslücken entstehen zu lassen.
Die Erfolgsmeldungen aus München klingen beeindruckend: Palantir soll bei der Aufklärung schwerer Straftaten geholfen haben, indem es Verbindungen zwischen scheinbar unzusammenhängenden Datenpunkten aufdeckte. Doch was für Bayern ein Durchbruch ist, alarmiert andere Bundesländer.
"Wer jetzt bei Peter Thiel Software kauft, hat wirklich nichts verstanden", kommentiert das Netzmagazin Netzpolitik.org die Entwicklung scharf. Die Kritik richtet sich nicht nur gegen die Software, sondern gegen ihren Mitgründer und größten privaten Anteilseigner: Peter Thiel, den deutschstämmigen Tech-Milliardär mit enger Verbindung zur Trump-Administration.
Der Mann hinter der Maschine
Peter Thiel ist nicht irgendwer. Vor allem seine politischen Ansichten sorgen für Unruhe: "Ich glaube nicht mehr länger, dass Demokratie und Freiheit kompatibel sind", schrieb er 2009 in einem Essay sich öffentlich. Thiel steht eine Ideologie, die Libertarianismus, Autoritarismus und Tech-Utopismus vereint.
Als früher Unterstützer Donald Trumps förderte er gezielt Nachwuchspolitiker der neuen Rechten – beispielsweise half er dem heutigen Vizepräsidenten J.D. Vance mit millionenschwerer Wahlkampfhilfe in den US-Senat. Auch im aktuellen Trump-Kabinett sitzen viele seiner Verbündeten.
🎧 Wie verändert KI unser Leben? Und welche KI-Programme sind in meinem Alltag wirklich wichtig? Antworten auf diese und weitere Fragen diskutieren Gregor Schmalzried, Marie Kilg und Fritz Espenlaub jede Woche in "Der KI-Podcast" – dem Podcast von BR24 und SWR.
Politische Fronten verhärten sich
Die Debatte spaltet Deutschland entlang Parteigrenzen. Während die CSU Palantir als notwendiges Werkzeug gegen Terrorismus und schwere Kriminalität verteidigt, fordern SPD und Grüne eine europäische Alternative.
In einem aktuellen Beschlussvorschlag der SPD-regierten Länder heißt es, "dass die zentrale Anforderung der digitalen Souveränität für jedes IT-Produkt der automatisierten Datenanalyse gelten muss und dass dies eine Nutzung von Produkten des marktführenden, US-amerikanischen Anbieters Palantir [...] für die Zukunft als Standardanwendung ausschließt".
In der schwarz-roten Bundesregierung könnte das noch zu einem Streitthema werden: Alexander Dobrindt (CSU) als Bundesinnenminister signalisiert offene Ohren für Palantir. Während seine Vorgängerin Nancy Faeser Palantir auf Bundesebene stoppte, heißt es nun aus dem Ministerium, man habe "bisher noch nicht entschieden".
Digitale Souveränität oder Sicherheitslücke?
Im Kern geht es um die Frage der digitalen Souveränität: Sollen deutsche Behörden die volle Kontrolle über kritische IT-Systeme behalten oder können sie eine Abhängigkeit von US-Anbietern riskieren? SPD und Grüne argumentieren, man wolle nicht, dass Kernbereiche der Inneren Sicherheit von der Gnade eines privatwirtschaftlichen US-Konzerns abhängen – insbesondere wenn dieser von jemandem wie Peter Thiel geprägt ist.
Die Befürworter kontern pragmatisch: Bislang gebe es keine vergleichbare europäische Software, die einsatzbereit ist. Tatsächlich hatte die Innenministerkonferenz schon 2016 beschlossen, ein gemeinsames Analyse-Tool aufzubauen. Bayern führte die Ausschreibung durch – und "einzig das Programm des US-Anbieters Palantir" erfüllte alle Kriterien.
Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.
"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!