Mehr als jeder sechste Sportverein (17,5 Prozent) sieht sich in seiner Existenz bedroht – das ist eines der zentralen Ergebnisse des neunten Sportentwicklungsberichts für Deutschland. Grund dafür sind aber nicht fehlende Mitglieder, im Gegenteil: Vereinssport ist dem Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) zufolge mit mehr als 28 Millionen Mitgliedschaften in 86.000 Vereinen so beliebt wie nie (externer Link).
Das Problem: Während die Mitgliedszahlen steigen, stagniere die Zahl der Übungsleiter und Trainer. Sie müssten daher mehr Sportler betreuen – was eine höhere Belastung bedeute.
Erste Vereine verzichten auf Zusatzaufgaben
Zudem gebe es weniger Angebote für ehrenamtliche Weiterbildung. Die Vereine hätten Schwierigkeiten, ehrenamtliche Funktionsträger sowie Schieds- und Kampfrichter zu gewinnen und dauerhaft an die Vereine zu binden. Außerdem mangele es an bezahlten Führungspositionen.
Ohne ausreichend Personal tun sich betroffene Sportvereine schwerer, ein umfassendes Programm aufrecht zu halten. Christoph Breuer, einer der Autoren des Sportentwicklungsberichts, sagt dazu: "Angesichts dieser Entwicklung scheinen sich erste Vereine von gesellschaftlich wünschenswerten Zusatzaufgaben zurückzuziehen, da deren Bewältigung zunehmend schwieriger wird. Dies betrifft sowohl sportbezogene Aufgaben wie Engagement im Leistungs- und Gesundheitssport als auch gesellschaftspolitische Themen wie außersportliche Kinder- und Jugendarbeit."
Personalmangel auch in Bayern
Auch in Bayern sind die Personalprobleme spürbar, sagt Jörg Ammon, Präsident des Bayerischen Landes-Sportverbands (BLSV). "Wir beobachten das schon seit vielen Jahren, dass sich nur noch wenige Menschen gefunden haben, die sich engagiert haben", so Ammon im Interview mit Bayern 3.
Die steigenden Vereinsmitgliedszahlen auch in Bayern erklärt sich Ammon mit dem "Megatrend" Sport und einem erhöhtem Gesundheitsbewusstsein in der Gesellschaft. Vor der Corona-Pandemie waren ihm zufolge 4,6 Millionen Menschen in Bayern Mitglied in einem Sportverein – inzwischen seien es 4,85 Millionen.
Sportvereine: Es geht um mehr als nur Sport
Nicht nur personell stehen Vereine vor Herausforderungen. Viele Sportstätten sind veraltet: 19 Prozent der Vereine in Deutschland melden dem Sportentwicklungsbericht zufolge (externer Link) große bis sehr große Probleme aufgrund maroder Anlagen, 4,5 Prozent eine direkte Gefährdung ihrer Existenz
Der Bericht wurde vom Deutschen Olympischen Sportbund gemeinsam mit dem Bundesinstitut für Sportwissenschaft sowie den 16 Landessportbünden in Auftrag gegeben. DOSB-Präsident Thomas Weikert sieht in Sportvereinen wichtige Institutionen, die die Gesellschaft zusammenhalten und Menschen miteinander verbinden. "Diese Orte gibt es heute leider nicht mehr oft. Deshalb müssen Sportvereine unbedingt gestärkt werden, damit sie diese Aufgaben wahrnehmen können, sonst macht es bald niemand mehr", so Weikert.
Was tun gegen Personalmangel in Sportvereinen?
Die Forderung des DOSB an die Politik: mehr Investitionen. Zwar sei erfreulich, dass eine "Bundesmilliarde für die Sportinfrastruktur" ihren Weg in den Koalitionsvertrag gefunden habe, "wenn auch ohne den wünschenswerten Zusatz, dass diese Investition jährlich erfolgen soll". Auch von einem geplanten Bürokratieabbau für das Ehrenamt und einer Bildungsoffensive für mehr Trainer erhofft sich der Sportbund viel.
Der BLSV versucht unterdessen über eine Onlineplattform, Sportvereine mit Ehrenamtlichen zu vernetzten. Auf "ehrensache.cloud" können Interessierte ihre Hilfe anbieten – und Vereine Gesuche einstellen. Auch eine Personalserviceagentur habe der Verband vergangenes Jahr eingerichtet.
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