Schwarzes Auto mit der orangefarbenen Aufschrift "Sau".
Bildrechte: Christine Hammerschick

Beschmiertes Auto von Christine Hammerschick, der 1. Bürgermeisterin der Gemeinde Steinach.

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Beleidigungen und Angriffe gegen Kommunalpolitiker nehmen zu

Hass, Drohungen, Einschüchterung: Für viele Politiker ist das Alltag. In Dingolfing tritt der Bürgermeister zurück, weil er sich bedroht fühlt. Warum engagierte Menschen zur Zielscheibe werden und was dagegen getan werden kann.

Über dieses Thema berichtet: BR24live am .

Eigentlich wollte sich Christine Hammerschick, die 1. Bürgermeisterin der Gemeinde Steinach im niederbayerischen Landkreis Straubing-Bogen, nur ein Eishockey-Spiel der Straubing Tigers anschauen. Es war der Gründonnerstag 2022 und sollte eigentlich ein netter, privater Abend mit ihrem Ehemann werden.

Bei Eishockeyspiel in die Ecke gedrängt

Doch dann kam alles ganz anders: "Vor der Pause hab ich die Toilette aufgesucht und als ich wieder zurückgekommen bin, war da ein Bürger unserer Gemeinde, dem vor einem Jahr mal was nicht gepasst hat", berichtet die Bürgermeisterin im Gespräch mit dem BR. Sie habe ihm gesagt, dass sie privat bei diesem Eishockey-Spiel sei, er aber mit seinem Anliegen zu ihr ins Rathaus kommen könne. Doch darauf habe sich der Mann nicht einlassen wollen. "Er hat mich dann festgehalten, gepackt, nicht mehr gehen lassen und übelst beschimpft".

Besonders belastend sei für Christine Hammerschick gewesen, dass der Bürger sie in eine dunkle Ecke drängen wollte und sie sich wehr- und machtlos fühlte. Und: Dass niemand von den Augenzeugen ihr geholfen habe. Die Polizei und die Staatsanwaltschaft hätten den Vorfall sehr ernst genommen, berichtet Christine Hammerschick weiter. Nun gehe ihr der Bürger in der kleinen Gemeinde aus dem Weg.

Beleidigung auf Auto geschmiert

Doch das sollte nicht der einzige Vorfall bleiben: Im Januar 2025 wurde das Auto der Bürgermeisterin mit einer orangefarbenen Straßenmarkierungsfarbe und der Beleidigung "Sau" beschmiert. Eine Mitarbeiterin des Rathauses sei vollkommen entsetzt gewesen und habe erst einmal beruhigt werden müssen, erzählt die Bürgermeisterin. Wer das Auto beschmiert hat, konnte die Polizei nicht ermitteln.

Kommunalpolitikerin Christine Hammerschick berichtet bei BR24, welche Anfeindungen sie als Bürgermeisterin erlebt hat. Außerdem ordnet Politikwissenschaftler Andreas Blätte ein, ob Anfeindungen gegen Politiker ein größer werdendes Problem sind. Das Video finden Sie oben eingebettet in diesem Artikel.

Justizministerium bietet Meldeplattform für Hass im Netz gegen Politiker

Nicht nur tätliche Angriffe und Beleidigungen sind für viele Politikerinnen und Politiker Alltag geworden, sondern auch Hass im Netz. Für Online-Straftaten, wie z. B. Bedrohungen und Beleidigungen in sozialen Netzwerken, bietet die bayerische Justiz deshalb seit September 2020 Kommunalpolitikern und Abgeordneten (Mitglieder des Bayerischen Landtags, bayerische Mitglieder des Bundestags und des Europäischen Parlaments) einen Zugang zu einem vereinfachten Online-Verfahren an. So können entsprechende Posts per Online-Prüfbitte direkt an die Staatsanwaltschaft übersandt werden. In diesem Online-Meldeverfahren gingen laut Informationen des Justizministeriums bis zum 25. September 2025 insgesamt 289 Prüfbitten ein. 120 dieser Prüfbitten stammen von kommunalen Mandatsträgern.

Bayerns Justizminister Georg Eisenreich (CSU) erklärt dazu: "Hass und Gewalt haben ein erschreckendes Ausmaß angenommen. Immer wieder schlagen auch Amts- und Mandatsträgern Beleidigungen, Bedrohungen bis hin zu körperlichen Angriffen entgegen. Angriffe auf Politikerinnen und Politiker sind zugleich Angriffe auf unsere Demokratie. Sie sind inakzeptabel". Die bayerische Staatsregierung nehme diese Attacken auf den Rechtsstaat und seine demokratischen Repräsentanten nicht hin.

Bayerischer Gemeindetag: "Katastrophales Signal für den Zustand unserer Demokratie"

Attacken, wie sie offenbar auch Armin Grassinger, der Bürgermeister der niederbayerischen Stadt Dingolfing, erlebt hat. Mit sofortiger Wirkung legte er sein Amt nieder. Der 48-Jährige begründete den am Dienstagnachmittag erfolgten Schritt mit Anfeindungen und Bedrohungen gegen seine Familie und sich.

"Es ist ein katastrophales Signal für den Zustand unserer Demokratie, wenn sich Menschen, die sich wie Armin Grassinger für das Gemeinwohl engagieren, derartigen Bedrohungssituationen ausgesetzt sehen", erklärt dazu Uwe Brandl vom Bayerischen Gemeindetag.

"Die Verrohung der Diskussionskultur und die Zunahme tätlicher Angriffe besorgen uns. Ermittlungsbehörden, Justiz und die zuständigen Ministerien sind dazu aufgerufen, mit aller Härte gegen die Gegner unseres Gemeinwesens und unserer demokratischen Gesellschaft vorzugehen. Auch und gerade in unseren Kommunen vor Ort", so Brandl weiter. Es sei ein verheerendes Signal für unsere Demokratie und mit Blick auf die Kommunalwahlen 2026, wenn Menschen, die sich bereits entschieden haben, für ein kommunales Mandat zu kandidieren, nun davon absehen, betont Brandl.

Bürgermeisterin Christine Hammerschick: "Jetzt erst recht!"

Auch die Bürgermeisterin von Steinach, Christine Hammerschick, macht diese gesellschaftliche Entwicklung Sorgen. Aufgeben komme für sie aber nicht infrage: "Letztendlich muss man schon mit viel rechnen. Aber ich habe jetzt keine Angst, das habe ich nicht. Und meine Einstellung ist, dass, wenn jemand glaubt, mich deswegen kleinzubekommen, dann ist meine Einstellung: Jetzt erst recht!"

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