(Symbolbild) Aufstellung eines Heimatschutzregimentes. Die Heimatschutzverbände bestehen im Wesentlichen aus Reservistinnen und Reservisten.
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(Symbolbild) Aufstellung eines Heimatschutzregimentes. Die Heimatschutzverbände bestehen im Wesentlichen aus Reservistinnen und Reservisten.

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Der blinde Fleck: Wie steht es um die Reserve der Bundeswehr?

Die Bundeswehr soll wieder verteidigungsbereit werden. Ohne starke Reserve gilt das als unmögliches Vorhaben. 200.000 einsatzbereite Reservisten sind das Ziel. Große Hoffnungen ruhen auf dem neuen Wehrdienst – doch wie steht es um die Reserve?

Über dieses Thema berichtet: Der Funkstreifzug am .

Er fühle sich wie in "einem Strudel aus E-Mails gefangen", erzählt Alexander bei einem Treffen. Auf seinem Laptop zeigt der 25-jährige Münchner den Schriftverkehr mit verschiedensten Ansprechpartnern der Bundeswehr. Die Mails dokumentieren, dass er irgendwie festhängt. Und zwar seit bald zwei Jahren. Denn so lange stellt er schon Anfragen – so lange wird er weiterverwiesen. Wir begleiten ihn seit mehreren Monaten.

Als Ungedienter Reservist werden

Das Ausbildungs-Programm, für das sich Alexander interessiert, ist dabei ein Spezialfall – es geht um einen Weg, wie sogenannte Ungediente zu Reservisten werden. Gedacht ist es für Menschen wie Alexander. Als er 18 wurde, war die Wehrpflicht längst ausgesetzt. Seit dem Start vor rund sieben Jahren haben laut Verteidigungsministerium über 5.000 Männer und Frauen die Ausbildung begonnen.

Eingeplant werden sie im sogenannten Heimatschutz: Im Verteidigungsfall wäre der etwa dafür zuständig, Umschlagplätze und Depots zu sichern. Keine Kleinigkeit: Denn sollte die Nato im Osten angegriffen werden, würden Truppen durch Deutschland rollen. Die Heimatschützer wären sowas wie ihre Rückendeckung. Verteidigungs-Experten halten dieses Szenario angesichts der aktuellen Bedrohungslage für durchaus realistisch.

Wer sich umhört in der aktiven Truppe und bei der Reserve stellt unweigerlich fest: Fälle wie die von Alexander sind kein Geheimnis. Er ist nicht der Einzige, der von seiner Odyssee berichtet. Von eineinhalb oder auch mal zwei Jahren Vorlaufzeit vor der ersten Ausbildung sprechen andere. Als möglicher Grund gelten bundeswehrinterne Umstrukturierungen.

Wer als Reservist üben will, braucht Geduld

Geduld brauchen aber nicht nur Interessenten, die als Ungediente zur Reserve wollen. Es geht manchmal auch denen so, die Reservisten sind – weil sie einmal gedient haben in der Bundeswehr – und die sich jetzt wieder einbringen wollen.

So etwas geht über eine sogenannte Beorderung: Ein ehemaliger Soldat kann nach Bedarf und Zeit eine Einheit unterstützen. Derartige "Übungen" sind freiwillig. Gehaltsausfälle werden kompensiert. Laut Wehrbericht waren im letzten Jahr rund 49.000 Reservisten beordert. Beziffert wird der Bedarf inzwischen auf 200.000.

Zwar scheint der Weg hin zu einer Beorderung weniger steinig zu sein, als der von Alexander, wie Gespräche mit zahlreichen Reservisten zeigen. Aber auch hier braucht es mitunter Ausdauer – zumindest bei Soldatinnen und Soldaten, die vor dem Oktober 2021 ausgeschieden sind. Seit Herbst 2021 gibt es eine Art Automatismus hin zur Beorderung.

Bis zu einem Jahr oder mehr könne im Regelfall vergehen, schildert der Landesvorsitzende des Reservistenverbandes, Fabian Forster. Wobei sich nie genau sagen lässt, wo der Wurm drin ist – möglich, dass bestimmte Profile nicht gebraucht werden oder, dass mancher Interessent Termine verstreichen lässt und Unterlagen fehlen. Nötig sind etwa eine Sicherheitsüberprüfung und ein Gesundheitscheck.

Neuer Wehrdienst dürfte Veränderungen bringen

Vom neuen Wehrdienst erhofft man sich im Verteidigungsministerium indes eine Stärkung und Verjüngung der Reserve. Nach dem Ausscheiden sollen Wehrdienstleistende automatisch in die Reserve beordert werden, wodurch die Zahl der Reservistinnen und Reservisten laut einer Sprecherin anwachsen soll.

Nur wer übt, bleibt fit

Doch selbst, wenn ein Reservist den Status als Beorderter hat, ist er erstmal auch nur ein Name in einem Kästchen. Denn nur wer übt, bleibt fit. Beorderte Reservisten könnten aktuell in viel größerem Umfang üben, als sie das tun. Das Geld wäre da, die Möglichkeiten werden aber laut Verteidigungsministerium längst nicht ausgeschöpft. Reserveübungen wieder zur Pflicht zu machen – für Fabian Forster wäre das ein Weg hin zu einer einsatzbereiteren Reserve.

Experte: Unterstützung durch Reserve fehlt

Die hätte im Ernstfall allerdings weitaus umfassendere Aufgaben als den Heimatschutz. Reservisten müssten die aktive Truppe ergänzen und Gefallene, wie Verwundete ersetzen. Der Politikwissenschaftler Martin Sebaldt, der selbst auf eine rund vierzigjährige Dienstzeit als Reservist zurückblickt, vermisst hier entsprechende Strukturen. Etwa sogenannte Ergänzungstruppenteile, die es einst in ausreichender Anzahl gab. Gemeint sind damit Einheiten, die bei Bedarf aktiviert werden können, da sie im Wesentlichen aus Reservisten bestehen und über eingelagertes Material verfügen.

Heute gibt es etwa im Heer mitunter Reservistenkompanien, eigenständige Bataillone mit mehreren hundert Soldatinnen und Soldaten aber sind rar. In Bayern gibt es zum Beispiel gerade mal drei – darunter ein Reserve-Panzerbataillon in der Oberpfalz. Eigenes Material, etwa eigene Panzer, hat es aber nicht.

Die ganze Recherche hören Sie im BR24 Funkstreifzug am 15.10. um 12:15 Uhr sowie am 19.10 um 09:15 Uhr im Radioprogramm von BR24 oder jederzeit unter diesem Link als Podcast in der ARD-Audiothek.

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