Eine Wohnungsauflösung in der Nähe von Schweinfurt, ein ausrangiertes Sofa und am Ende ein neues Wohnzimmer für eine Familie in den rumänischen Bergen: Was für viele nur ein Möbelstück ist, wird für den Würzburger Verein "Viitor Zukunft" zum Symbol gelebter Solidarität. Hinter dem Projekt steht Liane Batea: Die 46-Jährige ist in der Bergstadt Anina geboren, lebt heute in Würzburg und baut seit Jahren eine Brücke zwischen Unterfranken und ihrer alten Heimat.
Anina: Vom Bergbauzentrum zur Stadt ohne Arbeit
Anina liegt im rumänischen Banater Bergland, gut 40 Kilometer Serpentinenstraße von der nächsten größeren Stadt entfernt. Über zwei Jahrhunderte war hier einer der bedeutendsten Kohle-Bergbaustandorte des Landes, die Stollen reichten bis zu 1.200 Meter in die Tiefe.
Im Januar 2006 dann der Einschnitt: Bei einer Gasexplosion unter Tage sterben sieben Bergleute, fünf weitere werden schwer verletzt. Der Unfall besiegelt das Ende der Grube und der Betrieb wird noch im selben Jahr endgültig eingestellt. Mit dem Bergbau verschwinden auch die Arbeitsplätze. Von einst bis zu 16.000 Einwohnern sind heute nur noch weniger als die Hälfte in Anina geblieben. Viele Familien leben von kleinen Renten, Gelegenheitsjobs oder Unterstützung aus dem Ausland.
Im Video: Wo das Sofa am Ende seiner Reise gelandet ist
Liane Batea setzt sich für nachhaltige Rumänienhilfe ein.
Ein Verein aus Würzburg schafft Perspektiven
Als Liane Batea 2006 zum ersten Mal seit ihrer Kindheit nach Anina zurückkehrt, erlebt sie den Strukturbruch hautnah und gründet kurz darauf den Verein "Viitor – Zukunft" mit Sitz in Würzburg. Viitor – das bedeutet auf Rumänisch Zukunft. Ziel des Vereins: nachhaltige Hilfe für Menschen in Anina, nicht nur punktuelle Spendenaktionen.
Inzwischen hat der Verein vor Ort mehrere Vollzeit-Arbeitsplätze geschaffen, betreibt einen Second-Hand-Laden und organisiert Flohmärkte, deren Einnahmen direkt in soziale Projekte fließen. Herzstück ist der Besuchs- und Pflegedienst "Speranţa – Hoffnung": Mitarbeitende und Ehrenamtliche bringen alten und kranken Menschen regelmäßig Essen, Medikamente, Holz oder einfach Zeit – derzeit werden rund zwei Dutzend besonders Bedürftige kontinuierlich betreut. Hinzu kommen Einzelfallhilfen, etwa bei Operationen, Medikamenten oder der Beschaffung von Pflegebetten und Rollstühlen, sowie jährliche Weihnachtspäckchen für Kinder und Seniorinnen und Senioren.
"Haushaltsauflösungen mit Herz": Ein Sofa auf Reisen
Wie konkret diese Hilfe aussieht, zeigt die Geschichte eines Sofas. Ausgangspunkt ist eine Wohnungsauflösung in Unterfranken. In ihrem Würzburger Unternehmen "WertVoll – Haushaltsauflösungen mit Herz" räumt Liane Batea gemeinsam mit Kollegin Claudia Hahn Wohnungen und Häuser. Vieles, was sonst auf dem Sperrmüll landen würde, wird an den Verein übergeben. Statt Entsorgung heißt das Ziel: Anina.
Schon Wochen vor den Fahrten steht fest, wohin das Sofa gehen soll. Der Verein weiß, welche Familie welches Möbelstück dringend braucht. Eine alleinerziehende Mutter, deren Couch aus Kisten besteht, oder ein älteres Ehepaar, das bislang nur auf wackeligen Stühlen sitzt. In Anina wird das Sofa schließlich ausgeladen, durch enge Räume getragen und ins Wohnzimmer einer Familie am Stadtrand gestellt. Für die Familie in Rumänien ist es mehr als ein Möbelstück – es ist ein Stück Normalität und Wertschätzung in einem Alltag am Existenzminimum.
Arbeitsplätze in der Region: Hilfe, die bleibt
Neben Möbeltransporten und Lebensmittellieferungen hat der Verein in den vergangenen Jahren auch Projekte wie ein Café, Spielplätze oder die Unterstützung lokaler Vereine angestoßen. Nicht alles lässt sich auf Dauer halten – etwa das Café, das Liane Batea wieder schließen musste. Doch Strukturen wie der Second-Hand-Laden, das "Speranţa"-Projekt und die geschaffenen Arbeitsplätze geben der Stadt neue Impulse.
Für Aninas Bürgermeister und viele Bewohner ist die Würzburger Hilfe längst mehr als eine Sammlung von Projekten: Es ist das Gefühl, nicht vergessen zu sein – nur etwas mehr 1.000 Kilometer von Deutschland entfernt. Und manchmal zeigt sich diese Hoffnung eben ganz unspektakulär: in einem gebrauchten Sofa, das in einem kleinen Wohnzimmer in den rumänischen Bergen steht.
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