Mit düsterem Blick sitzt Wenzel Cerveny ganz allein auf einer großen, schwarzen Ledercouch in der Lobby seiner "Naturerlebniswelt" in Aschheim. So hat er den Megastore genannt, der auf rund 1.500 Quadratmetern Produkte rund ums Hanf anbietet: Von Turnschuhen über Rücksäcke und ätherische Öle bis hin zu Stecklingen zum Anpflanzen für zu Hause.
- Zum Artikel: Bayerische Cannabisclubs kämpfen gegen Verordnungen
Dafür hat der Unternehmer einen ehemaligen Supermarkt gepachtet. Sein Plan: in der Lobby des Marktes sollte der "Chillout-Club-Aschheim" entstehen. Nach Cervenys Planung wäre das der erste Cannabis-Anbauclub in Deutschland geworden. Alles war bereits in die Wege geleitet, noch bevor das Gesetz der damaligen Ampelregierung über die Teil-Legalisierung von Cannabis im April 2024 in Kraft trat. 500 Clubmitglieder hatten sich angemeldet, die einen monatlichen Beitrag von 150 Euro zahlen wollten – genug für die Pacht des Ladens.
"Chillot-Club-Aschheim" bekam nie behördliche Genehmigung
Am Tag der Legalisierung hatte Cerveny mit seinen Clubmitgliedern hier noch eine Party gefeiert, jetzt ist praktisch nur noch er allein übrig. Der geplante Anbauclub hat nämlich nie eine Lizenz bekommen, sämtliche Anträge wurden zurückgewiesen. Der Grund war ein geschickter Schachzug aus dem Aschheimer Rathaus, das keine 200 Meter weit entfernt ist.
Den Lokalpolitikern war der Anbauclub ein Dorn im Auge. Also errichteten sie auf dem Gelände des Rathauses kurzerhand einen Kinderspielplatz. Im neuen Cannabis-Gesetz steht nämlich, dass Anbauclubs einen Mindestabstand von 200 Metern zu Schulen, Kindergärten und Spielplätzen einhalten müssen.
Cerveny erinnert sich, dass er das Manöver aus dem Rathaus damals noch belächelt hatte: "Ich dachte, das ist ein durchsichtiges Kasperletheater, damit kommen die doch niemals durch, aber rückblickend war das der Anfang vom Ende", resümiert er. Weil der Antrag nie bewilligt wurde, sprangen die Mitglieder des Anbauclubs der Reihe nach ab. Am Ende waren noch vier Unterstützer übrig, die 50 Euro pro Monat zahlten. Zu wenig für die laufenden Kosten.
Mietschulden wegen fehlender Mitgliedsbeiträge
Seit Anfang des Jahres hat Cerveny deshalb Mietschulden von rund 150.000 Euro angehäuft. Seine Naturerlebnis GmbH stand bereits kurz vor der Insolvenz. Für den Misserfolg macht er auch die Politik der Staatsregierung mitverantwortlich. Die würde Bundesrecht missachten, beklagt er: "Jetzt haben wir doch ein Bundesgesetz, das die Rahmenbedingungen für Anbauclubs klar regelt, aber in Bayern ist das egal, die setzen mir Spielplätze vor die Nase und schikanieren mich mit Razzien."
Tatsächlich haben Cerveny und seine Familie, mit der er insgesamt zwölf Hanf-Shops in Bayern betreibt, immer wieder Probleme mit den Behörden. Insgesamt 31 Razzien gab es schon in seinen Geschäften, die letzten fanden Ende Mai und Anfang Juni in Aschheim, Baldham und München statt. Die Ermittler beschlagnahmten dabei alle Cannabis-Jungpflanzen als Beweismittel. Allein bei der jüngsten Razzia sei ihm dadurch ein Schaden von gut 30.000 Euro entstanden, beklagt der Unternehmer.
Staatsanwaltschaft ermittelt gegen den Hanf-Unternehmer
Aktuell ermittelt die Staatsanwaltschaft München I gegen ihn und seinen Bruder wegen verbotenen Handels mit Cannabis-Pflanzen, wie sie dem BR gegenüber schriftlich bestätigt. Die Behörde betrachtet dabei offenbar Stecklinge, sobald sie in Töpfen eingepflanzt sind, als ausgewachsene Cannabis-Pflanzen. Cerveny und sein Anwalt betonen, dass Jungpflanzen, solange sie nicht blühen, laut Gesetz für den Handel erlaubt seien. Die unterschiedlichen Rechtsauffassungen muss ein Gericht klären.
Megastore in Aschheim schließt Ende Juli
Für das Projekt in Aschheim spielt das aber keine Rolle mehr. Die Insolvenz konnte der Geschäftsmann, der zwischendurch auch mal in Aschheim als Bürgermeister kandidieren wollte, durch einen Vergleich mit seinen Gläubigern gerade noch abwenden. Der Pachtvertrag wurde dennoch gekündigt, Anfang August muss Wenzel Cerveny den Laden besenrein übergeben. Ganz aufgeben will der Unternehmer und Cannabis-Aktivist aber nicht. Er plant, mit seinen kleineren Läden weiter zu machen und setzt außerdem wieder auf politisches Engagement: Bei der nächsten Kommunalwahl will er für den Münchner Stadtrat kandidieren.
Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.
"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!