Ein Mann trägt im Landeskriminalamt (LKA) in Hannover (Niedersachsen) eine elektronische Fußfessel (gestellte Szene).
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Ein Mann trägt im Landeskriminalamt (LKA) in Hannover (Niedersachsen) eine elektronische Fußfessel (gestellte Szene).

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Können Fußfesseln für Gewalttäter Femizide verhindern?

Bedrohungen, häusliche Gewalt, im schlimmsten Fall ein Femizid: Können durch elektronische Fußfesseln für Gewalttäter Frauen besser geschützt werden? In der Diskussion ist auch das "spanische Modell", bei dem potenzielle Opfer eine Warnung erhalten.

Über dieses Thema berichtet: BR24 Infoblock am .

In Krailling wird eine sechsfache Mutter von ihrem Ehemann erstochen. In Bad Aibling wird nach einem halben Jahr Suche eine 34-Jährige tot gefunden – verdächtigt wird ihr Ex-Partner. Auch bei einem Mord an einer 40-Jährigen in Coburg steht ein Mann unter Mordverdacht. Die Frau soll seine Annäherungsversuche abgelehnt haben.

Immer wieder kommt es zu Femiziden - Gewaltverbrechen, bei denen Frauen aufgrund ihres Geschlechts getötet werden.

Bayern: 40 Frauen und Mädchen durch Femizid getötet

2024 gab es in Bayern 40 solcher Fälle, das ergab eine Auswertung des Landeskriminalamtes. Hinzu kommen mehr als 80 Tötungsversuche.

Die Täter sind meist (Ex-)Partner, die den Kontrollverlust nach Trennungen, Zurückweisungen oder dem Wunsch der Frau nach einem selbstbestimmten Leben nicht akzeptieren.

Elektronische Fußfesseln derzeit in 34 Fällen im Einsatz

Über eine Möglichkeit, wie Frauen vielleicht besser geschützt werden können, wird in diesem Zusammenhang häufig diskutiert: elektronische Fußfesseln. In Bayern seien sie derzeit in 34 Fällen im Einsatz, teilte Marco Schneider, stellvertretender Abteilungsleiter der gemeinsamen Überwachungsstelle der Länder (GÜL) mit Sitz in Hessen, auf BR-Anfrage mit. Dabei handele es sich allerdings um bereits wegen Mordes oder Sexualdelikte verurteilte Straftäter, die nun wieder auf freien Fuß sind.

In Gegensatz zu anderen Bundesländern werden in Bayern bislang noch keine Überwachungen unter Verwendung der sogenannten "Domestic Violence-Technik" durchgeführt, wie es auch beim sogenannten "Spanischen Modell" der Fall ist. Dabei trägt der potenzielle Täter eine elektronische Fußfessel, die mit einer GPS-Einheit kommunizieren kann, die das Opfer bei sich trägt. Das System überwacht dadurch sowohl den Standort des Überwachten als auch des Opfers und verwendet Sperrzonen, um einen Alarm auszulösen, wenn sich der Überwachte und das Opfer entweder absichtlich oder unabsichtlich begegnen.

Hilfsorganisation befürwortet Einsatz von Fußfesseln nach spanischem Vorbild

Auch der Weiße Ring, eine Hilfsorganisation für Opfer von Kriminalität, unterstützt den Einsatz von elektronischen Fußfesseln nach dem Vorbild in Spanien. Denn dort bekommt nicht nur, wie derzeit in Bayern, die Polizei eine Warnung, wenn sich der potenzielle Täter der zu schützenden Person nähert, sondern auch das potenzielle Opfer selbst. "Dadurch haben sie die Möglichkeit, sich aktiv in Sicherheit zu bringen", so Hans-Jürgen Zacharias vom Weißen Ring.

Kriminologe: Fußfesseln sinnvoll, aber kein "Allheilmittel"

Jörg Kinsig, Kriminologe an der Universität Tübingen, hat zum Einsatz von elektronischen Fußfesseln geforscht. Sein Fazit: Fußfesseln sind kein "Allheimmittel". Er verweist auf rechtliche Schwierigkeiten in der praktischen Umsetzung. Die Fußfessel könne zwar zum subjektiven Sicherheitsgefühl von Frauen beitragen, doch manche Männer würden sich davon nicht von Straftaten abhalten lassen.

In Spanien tragen laut ARD-Korrespondentin Julia Macher rund 4.500 Menschen eine Fußfessel. Auch dort werden sie nur bei schweren Fällen eingesetzt, doch sie scheinen zu funktionieren: "Da, wo die elektronische Fußfessel verhängt wurde, blieben die Frauen tatsächlich sicher. Die Statistik verzeichnet für diese Fälle keine Femizide", so die Journalistin.

Der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU) erklärt, dass derzeit überprüft werde, wie die technische Umsetzung des sogenannten "spanischen Modells" aussehen könnte.

Wie können betroffene Frauen schnell Hilfe bekommen?

Um Femizide oder Tötungsversuche zu verhindern, müssen verschiedene Stellen und Behörden effektiv zusammenarbeiten. Einerseits müssen Warnsignale ernst genommen werden, wie beispielsweise Bedrohungen oder frühere Straftaten. Andererseits ist eine stärkere Aufklärung und Sensibilisierung bei Polizei, Justiz und Gesellschaft wichtig. Bei unmittelbarer Bedrohung müssen Betroffene sofort und leicht Zugang zu Frauenhäusern und Beratungsstellen bekommen, vor allem in ländlicheren Gegenden.

Eine Idee kommt auch von einem Leser in den BR24 Kommentaren. "Herr_K" schlägt vor: "Vielleicht sollte es für gefährdete Frauen so tolle Hausnotruf-Programme geben wie für Senioren. Ein Knopf, den man drückt und die Security rückt an." Er wünscht sich, dass bei der Diskussion um die Sicherheit von Frauen auch die männliche Perspektive berücksichtigt werde: "Gewalt ist immer ein Zeichen von Schwäche der Täter. Wie kann man diese Männer dazu bringen, mit ihren Problemen anders umzugehen?"

💡 Was ist ein Femizid?

Unter dem Begriff Femizid sind alle Tötungen von Mädchen und Frauen, die aufgrund ihres Geschlechts umgebracht werden, zu verstehen. Die Tötung durch den Partner oder Ex-Partner macht nur einen Teil der Femizide aus, der Täter kann aber beispielsweise auch der Bruder oder der Cousin sein. Das European Observatory on Femicide, eine europäische Beobachtungsstelle bei Femiziden, sammelt in mehreren Ländern Daten und wertet diese aus. Seit Jahren bemühen sich Soziologen, Feministinnen und Politiker unter anderem von B‘90/Grüne und Die Linke um eine juristische Anerkennung des Begriffs.

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