Kolonne mit Fahrzeugen der Bundeswehr und schwer bewaffneten Soldaten fährt im März 2025 über eine Straße im Norden von Hannover (Symbolbild).
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Kolonne mit Fahrzeugen der Bundeswehr und schwer bewaffneten Soldaten fährt im März 2025 über eine Straße im Norden von Hannover (Symbolbild).

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"Operationsplan Deutschland": Drehscheibe für die Nato

Im Kriegsfall könnte sich die Nato nur erfolgreich verteidigen, wenn der Nachschub funktioniert. Munition, Verpflegung, Kriegsgerät und Soldaten müssten zuverlässig transportiert werden. Was es mit dem "Operationsplan Deutschland" auf sich hat.

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Die Rolle Deutschlands in der Verteidigungsstrategie der Nato hat sich seit den 1990er-Jahren stark gewandelt: Damals war Westdeutschland Frontstaat, mit direkter Grenze zum Warschauer Pakt. Bei einem Überfall aus dem Osten wäre Westdeutschland das Schlachtfeld gewesen. Die Bundeswehr und ihre Verbündeten hätten versucht, auf dem Gebiet der Bundesrepublik die Truppen des Warschauer Paktes zurückzuschlagen.

Deutschland heute in der Nato-Mitte

Heute ist Deutschlands Lage eine andere: Im Osten liegen Länder wie Polen, Tschechien, Slowakei, Ungarn, Rumänien, Bulgarien und die baltischen Staaten. Sie alle sind inzwischen Nato-Mitglieder. In diesem vergrößerten Nato-Gebiet liegt Deutschland nicht mehr an der potenziellen Demarkationslinie, sondern in der Mitte.

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Im Kalten Krieg liegt Deutschland am östlichen Rand des NATO-Gebiets.

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Heute liegt Deutschland im Zentrum des NATO-Gebiets.

Neue Rolle Deutschlands als Nachschubbasis

Bei einem möglichen Überfall Russlands würden die Schlachtfelder also vermutlich östlich von Deutschland liegen – auf dem Gebiet neuer Nato-Mitglieder, die eine direkte Grenze mit Russland oder dessen Verbündeten Belarus haben.

Daraus ergibt sich auch die neue Rolle Deutschlands als Nachschubbasis. Der Brigadegeneral und Kommandeur des Landeskommandos Bayern, Thomas Hambach, drückt es so aus: "Der wesentliche Auftrag an die Bundesrepublik – im Rahmen der Nato – ist, dass der Aufmarsch und der Nachschub funktioniert, also dass Deutschland als Drehscheibe für die Nato funktioniert, als logistische Drehscheibe." Ein großer Teil der Nachschubströme aus den USA, aus Süd- und Westeuropa treffen sich auf deutschem Gebiet und werden von hier aus auf die Frontabschnitte verteilt.

Strategie für den Ernstfall: "Operationsplan Deutschland"

Auf diese neue Rolle haben Bundesregierung und Bundeswehr mit dem "Operationsplan Deutschland" (externer Link) reagiert – einem Strategieplan für den Ernstfall. Vieles ist davon geheim, einige Eckpunkte wurden aber veröffentlicht: Soldaten, Waffen, Munition und Verpflegung, alles müsste in Empfang genommen, untergebracht oder umgeladen werden. Zum richtigen Zeitpunkt ginge es dann weiter an die Front im Osten.

Das Prinzip ist nicht anders als bei einer zivilen Spedition, nur sehr viel größer. Dazu käme ein Strom in die andere Richtung: Flüchtlinge, Verwundete und Tote oder beschädigtes Kriegsgerät müssten zurück nach Deutschland transportiert werden. Insgesamt eine enorme Logistikleistung, die von einer Armee allein nicht zu bewältigen ist.

Auch Hilfsorganisationen und private Dienstleister sind gefragt

Im Ernstfall kann jeder herangezogen werden: Hilfsorganisationen, Ehrenamtliche, Firmen, die Zivilbevölkerung. In der Praxis ist es so, dass die Bundeswehr heute schon mit Hilfsorganisationen und privaten Dienstleistern verhandelt – etwa bei der Errichtung von temporären Lagerplätzen, für Truppen auf der Durchreise. Eine private Firma hat den Auftrag, das Material für 17 solcher Raststation zu beschaffen und bereitzuhalten. Streng geheim ist, wo im Ernstfall Raststationen entstehen, damit der Gegner sie nicht ohne weiteres angreifen kann.

Auch Hilfsorganisationen wie das Rote Kreuz oder die Malteser sind mit der Bundeswehr im Gespräch. Sie sollen etwa Flüchtlinge aus umkämpften Gebieten versorgen oder verletzte Soldaten auf die Krankenhäuser verteilen.

Bei Hilfsdiensten sorgt das teils für Unruhe. Das hat Martin Schelleis, Bundesbeauftragter für Krisenresilienz bei den Maltesern, erfahren: "Es gibt durchaus kritische Stimmen, die aus grundsätzlichen Überlegungen pazifistisch eingestellt sind. Aber viele derer, die zum Beispiel als Zivildienstleistende mal zu den Maltesern gekommen sind, haben zumindest kein Problem mit der Zusammenarbeit mit der Bundeswehr. Es gibt auch welche, die sogar sagen: Ich sehe das heute ganz anders."

Operationsplan wird ständig angepasst

Die Logistik ist ein wichtiger, aber nicht der alleinige Inhalt des "Operationsplan Deutschland". Etwa auch die Cybersicherheit oder die Verwendung von Reservisten ist hier geregelt. Außerdem ist der Operationsplan "Work in Progress". Das heißt, er wird ständig weiterentwickelt.

Der Kern wird aber bleiben: Es geht um die Gesamtverteidigung, im militärischen und zivilen Bereich. Sollte der Ernstfall eintreten, müssten alle Bürger Deutschlands, wie auch in den anderen Nato-Staaten, mithelfen – so sieht es der "Operationsplan Deutschland" vor.

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