Geldscheine über denen eine Behördenstempel droht (Symbolbild)
Bildrechte: picture alliance / SvenSimon | Frank Hoermann /

Geldscheine über denen eine Behördenstempel droht (Symbolbild)

Per Mail sharen
Artikel mit Audio-InhaltenAudiobeitrag

Pläne zur Bürgergeld-Reform: Das haben Union und SPD vor

Die vom Koalitionsausschuss beschlossene "neue Grundsicherung" bringt vor allem schärfere Sanktionen, wenn Arbeitslose zu Terminen nicht erscheinen oder einen Job verweigern. Ob der Staat mit der Bürgergeld-Reform viel Geld spart, ist umstritten.

Über dieses Thema berichtet: BR24 Radio Nachrichten am .

Schon bisher galt: Wer sich einer Mitwirkung an der Jobsuche verweigert, muss mit "Leistungsminderungen" rechnen. Die aktuelle Regelung im Bürgergeld lautet: Wer einmal einen Termin im Jobcenter ohne Grund versäumt, bekommt zehn Prozent des Regelsatzes für einen Monat gestrichen. Beim zweiten Mal sind es 20 Prozent für zwei, beim dritten Mal 30 Prozent für drei Monate. Der Regelsatz liegt derzeit bei 563 Euro für Alleinstehende. Seine Höhe ist nicht Gegenstand der Koalitionsbeschlüsse.

Bürgergeld: Sanktionen deutlich verschärft

Die Einigung von Union und SPD sieht vor, dass beim ersten versäumten Termin sofort eine neue Einladung aus dem Jobcenter folgt. Wer dann erneut nicht erscheint, bekommt sofort 30 Prozent weniger. Nach dem dritten versäumten Termin wird die Leistung dann ganz gestrichen, und zwar nicht nur der Regelsatz, sondern auch die Kosten für die Unterkunft. Ausnahmen für Menschen mit körperlichen oder psychischen Einschränkungen soll es weiterhin geben.

Eine weitere Verschärfung betrifft das Schonvermögen, also den Geldbetrag, den Bürgergeldempfänger bisher unangetastet lassen durften. Er liegt für Alleinstehende derzeit bei 15.000 Euro. Im ersten Jahr des Bürgergeldbezugs wird Vermögen allerdings erst ab einer Höhe von 40.000 Euro berücksichtigt. Diese sogenannte Karenzzeit soll künftig entfallen.

Zweifel an Einsparungen

Ob die Kosten für die neue Grundsicherung für den Staat aufgrund der Verschärfungen nennenswert sinken werden, bezweifelt nicht nur Bundesarbeitsministerin Bärbel Bas (SPD). Arbeitsmarktexperten verweisen auf die Statistik: Zuletzt sprachen die Jobcenter innerhalb eines Jahres (aktuelle Zahlen von Juni 2024 bis Mai 2025) gegen rund 202.000 Menschen Sanktionen aus. Betroffen waren also nicht einmal fünf Prozent der Bürgergeldempfänger.

Kaum Jobchancen für Langzeitarbeitslose

Erhebliche Einsparungen brächte es nur, wenn es gelänge, viele Langzeitarbeitslose wieder in Arbeit zu vermitteln. Nach Berechnungen der Bundesagentur für Arbeit würden 100.000 Bürgergeldempfänger weniger für eine Entlastung von 1,36 Milliarden Euro sorgen. Allerdings sind der Statistik zufolge über 80 Prozent der erwerbsfähigen Bürgergeldempfänger schwer vermittelbar, etwa wegen körperlicher Einschränkungen, fehlender Kinderbetreuung oder der Pflege von Angehörigen.

Außerdem sind die Chancen für Arbeitslose, Arbeit zu finden, derzeit generell gering. "Das steht und fällt mit der konjunkturellen Situation", sagt Bernd Fitzenberger, Direktor des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) in Nürnberg. Unabhängig von der Ausgestaltung der Sanktionen habe man das schon zu Zeiten von Hartz IV beobachtet.

Jobcenter wollen mehr Verbindlichkeit

Gerade in Zeiten eines Aufschwungs seien Sanktionen dann aber wichtig, so Fitzenberger: "Das ist ein Schritt zurück zu mehr Verbindlichkeit, den sich die Jobcenter wünschen." Die wichtigste Funktion von Sanktionen sei es, "Menschen an den Tisch zu bringen und gemeinsam Schritte zu überlegen". Aus der Jobcenter-Statistik geht hervor, dass fast 90 Prozent der Sanktionen wegen versäumter Termine ausgesprochen werden, nur der geringste Teil dagegen wegen Verweigerung von Jobs oder Bildungsmaßnahmen.

Gesetzentwurf soll in wenigen Tagen folgen

Bundesarbeitsministerin Bas hat angekündigt, in den kommenden Tagen einen Gesetzesentwurf zur künftigen Grundsicherung vorzulegen. Der wird dann unter den betroffenen Ministerien abgestimmt, bevor das Bundeskabinett ihn beschließen und in den Bundestag einbringen kann.

Außerdem gibt es noch eine Verbändeanhörung, bei der etwa Arbeitgeberverbände, Gewerkschaften und betroffene Behörden Stellung nehmen können. Ob die Änderungen damit bereits mit Beginn des neuen Jahres gelten werden, ist daher ungewiss.

Wichtige Reformvorhaben noch ausgeklammert

Auf einen großen Kritikpunkt am Bürgergeld geht die Einigung im Koalitionsausschuss gar nicht ein. Der vor allem nach Ansicht von Union und Arbeitgebern zu geringe Anreiz, neben dem Bürgergeld zu arbeiten und somit Geld zu verdienen. Auch die Vielzahl der mit dem Bürgergeld zusammenhängenden Sozialleistungen wie Wohngeld und Kinderzuschlag wird vorerst nicht angetastet. Sie ist Gegenstand der Beratungen in der Sozialstaatskommission der Bundesregierung. Möglicherweise kommt es daher im kommenden Jahr zu einer zweiten Stufe der Grundsicherungsreform.

Im Video: Einigung bei Bürgergeld, Aktivrente, Infrastruktur

Einigung bei Bürgergeld, Aktivrente, Infrastruktur
Bildrechte: BR
Artikel mit Video-InhaltenVideobeitrag

Einigung bei Bürgergeld, Aktivrente, Infrastruktur

Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.

"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!