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Essstörungen durch TikTok und Co? Die Rolle der soziale Medien

Immer mehr junge Menschen leiden unter Essstörungen. Vor allem junge Frauen eifern Influencerinnen nach, hungern sich spindeldürr und machen gleichzeitig extrem viel Sport – bis sie schwer krank sind. Welchen Einfluss haben soziale Medien?

Über dieses Thema berichtet: Der Funkstreifzug am .

"Rückblickend war Social Media echt ein riesiger Faktor bei meiner Essstörung", erzählt Amira *. Während der Corona-Pandemie schaute sie sich auf Youtube Shred Callenges an, harte Trainingsprogramme, bei dem die Pfunde "geschreddert" werden sollen. Auch Maya * folgte lange "extremen Accounts", nahm mehr und mehr ab. Sie hatte ein Gewichtsziel von 30 Kilo. "Unterbewusst wusste ich schon, dass es nicht realistisch war, dass ich, wenn ich dann da wäre, wäre ich tot."

Alles dreht sich um Kalorien und den vermeintlich perfekten Body

Die beiden 17-Jährigen kämpften jahrelang mit Essstörungen, holten sich extreme Diät- und Workout-Tipps von Influencerinnen. Irgendwann drehte sich ihr Leben nur noch ums Schlanksein, um Sport und den vermeintlich perfekten Body. Sie aßen so wenig wie möglich, Amira zeitweise auch übermäßig viel. Aus Angst vor einer Gewichtszunahme hat sie dann erbrochen. Gleichzeitig trainierten die beiden Teenagerinnen so viel wie möglich.

Die ganze Recherche hören Sie im BR24 Funkstreifzug am 29.10. um 12:15 Uhr sowie am 2.11. um 09:15 Uhr im Radioprogramm von BR24 oder jederzeit unter diesem Link als Podcast in der ARD-Audiothek.

Laufen und mehrere Workouts pro Tag

Maya zum Beispiel ging laufen und machte zwei bis drei Workouts – pro Tag. "Teilweise habe ich mich auch kälter angezogen, dass ich durch dieses Frieren eben noch Energie verbrauche", sagt sie. Zugleich aß die Schülerin immer weniger – als sie schwer krank war, nur noch zwei bis drei Reiswaffeln pro Tag. Am Ende wog die 1,76 Meter große Maya noch 40 Kilo. Sie war mehrmals in Kliniken, lange in Therapie. Immer mehr Mädchen und junge Frauen kommen laut Statistischem Bundesamt wegen Essstörungen ins Krankenhaus. Auch junge Männer sind betroffen, aber bei weitem nicht so oft.

Essstörungen können tödlich verlaufen

Essstörungen können tödlich verlaufen. Vor allem die Magersucht habe die höchste Sterblichkeitsrate aller psychischen Erkrankungen in dieser Altersgruppe, sagt Dr. Karin Lachenmeir vom Therapie-Centrum für Essstörungen in München. "Es ist nie die eine Ursache, sondern es kommen verschiedene Faktoren zusammen", warum Menschen Essstörungen entwickeln. Laut Expertin können das zum Beispiel psychische oder familiäre Faktoren sein. Soziale Medien seien aber häufig ein Verstärker. Einige Influencerinnen feuern ihre Follower regelrecht an, noch disziplinierter zu sein.

In der Pubertät sind junge Menschen besonders anfällig für Idealbilder. Und wer online erst einmal nach Begriffen wie Bikini-Body, Skinny oder Diät gesucht hat, bekommt – bedingt durch den Algorithmus – immer mehr solche Inhalte in die Timeline gespült.

#Skinnytok wurde verboten – doch die Inhalte sind weiter online

Dieses Jahr machte der Hashtag Skinnytok Schlagzeilen. Inzwischen wurde der Begriff verboten. Doch oft verändern Influencer nur einen Buchstaben und umgehen die Sperrung. Aber immerhin: Wer nach Inhalten wie Skinny sucht, bekommt auf Instagram oder auch auf TikTok Hilfe angezeigt. Ein erster Schritt, doch verschwunden sind gefährliche Inhalte nicht.

Dabei wären Bilder von normalen Frauen so wichtig. Das sagt auch der Würzburger Kommunikationspsychologe Professor Markus Appel. Er hat an einer Studie mitgearbeitet und Jugendlichen Social-Media-Inhalte mit unterschiedlichen Körperformen gezeigt. Das Ergebnis: BodyPositivity hat die Kraft (externer Link), das Konzept von idealen Körpern zu verändern.

Digitale Streetworkerin kämpft gegen toxische Inhalte

Sabine Dohme von ANAD kämpft online gegen toxische Inhalte. Sie ist digitale Streetworkerin, klärt in sozialen Medien über Essstörungen auf, bietet Hilfe an und postet unter gefährlichen Inhalten fachliche Hinweise. Die eine oder andere Influencerin blocke sie deswegen – schließlich sei die Beauty- und Abnehmbranche ein Milliardengeschäft, sagt Dohme.

"Bleibt mit euren Kindern im Gespräch"

Australien führt im Dezember eine Altersbegrenzung ein. Dort muss man dann mindestens 16 Jahre alt sein, um Social Media nutzen zu dürfen. Deutschland ist noch nicht so weit. Experten fordern, dass Plattformen stärker in die Verantwortung genommen werden müssen. Zudem müsse die Medienkompetenz junger Menschen gestärkt werden und es brauche Geld für mehr digitale Streetworker. Und auch Eltern dürften ihre Augen nicht verschließen. Dohme: "Bleibt mit euren Kindern im Gespräch."

Maya und Amira geht es heute besser. Maya appelliert an Betroffene, sich Hilfe zu holen. Und Amira sagt rückblickend: "Irgendwann habe ich gemerkt, dass es genug war, was Social Media von uns will, dass wir uns schlecht fühlen, damit wir klicken, kaufen, vergleichen."

*Name von der Redaktion geändert

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