Abgase einer Industrieanlage.
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Im Kampf gegen den Klimawandel einigt sich die EU auf ein neues Ziel - anders als bisher aber mit Hilfe aus dem außereuropäischen Ausland.

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EU einigt sich auf Klimaziel: 90 Prozent weniger CO₂ bis 2040

Es waren zähe Verhandlungen – nun aber stehen die Klimaziele der EU für die kommenden Jahre fest: Der CO₂-Ausstoß soll demnach bis 2040 um 90 Prozent gegenüber 1990 verringert werden. Der Kompromiss räumt den 27 EU-Staaten aber einigen Spielraum ein.

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Die Europäische Union will ihren Ausstoß von Treibhausgasen bis 2040 drastisch senken. Unterhändler von Europaparlament und der EU-Mitgliedsländer einigten sich in der Nacht zum Mittwoch in Brüssel auf ein verbindliches Klimaziel für 2040: Bis dahin sollen die CO₂-Emissionen um 90 Prozent im Vergleich zum Jahr 1990 zurückgehen, wie das EU-Parlament mitteilte.

Klimaschutz mit Hilfe auf dem Ausland

Für die EU-Staaten gibt es dabei aber einige Zugeständnisse, die das 90-Prozent-Ziel de facto zu einem 85-Prozent-Ziel machen. So dürfen die Mitglieder ab 2036 bis zu fünf Prozentpunkte durch CO₂-Zertifikate aus dem außereuropäischen Ausland anrechnen, indem für Klimaschutzprojekte im Ausland bezahlt wird. Die Vereinbarung hatten die 27 Regierungen untereinander bereits im Vorfeld ausgehandelt, um diejenigen Mitgliedstaaten ins Boot zu holen, denen die Ziele bislang zu ambitioniert waren.

Europäischer CO₂-Preis soll erst 2028 kommen

Außerdem sollen andere Klimamaßnahmen abgeschwächt werden. Beispielsweise wurde die geplante Einführung eines CO₂-Preises, der etwa Heizen und Tanken für Verbraucher teurer machen würde, zunächst um ein Jahr auf 2028 verschoben. Deutschland hat bereits ein ähnliches Preissystem, sodass Heizen und Tanken hierzulande nicht ruckartig teurer werden dürften.

Mit diesem Kompromiss waren nun auch die Vertreter aus dem Parlament einverstanden. EU-Klimakommissar Wopke Hoekstra sprach von einem starken Übereinkommen, das auch realistisch sei. Die Einigung sei pragmatisch und ambitioniert, liefere Tempo, Vorhersehbarkeit und Flexibilität. "Vor allem zeigt sie, dass Klima, Wettbewerbsfähigkeit und Unabhängigkeit Hand in Hand gehen, und sendet ein starkes Signal an unsere globalen Partner", so der Niederländer. Bevor das Gesetz in Kraft tritt, müssen das Parlament und der Rat der EU-Staaten noch formell zustimmen, was aber als sicher gilt.

Einstiger Vorschlag der Kommission damit deutlich aufgeweicht

Grundlage für das 2040er-Ziel war ein im Juli präsentierter Vorschlag der Europäischen Kommission, der nun deutlich abgeschwächt wurde. Dem Beschluss waren monatelange, zähe Verhandlungen vorausgegangen. Vor allem osteuropäische Länder wie Polen und Ungarn hatten sich gegen zu strenge Vorgaben gewehrt, weil sie hohe Kosten für ihre Industrie fürchteten. Andere Staaten wie die Niederlande oder Spanien drängten hingegen auf mehr Ehrgeiz beim Klimaschutz.

Die Grünen-Abgeordnete Lena Schilling bezeichnet die Einigung auf 90 Prozent Emissions-Reduzierung als "hart erkämpften Meilenstein". "Wir haben um jeden Millimeter mehr Ambition gekämpft", sagte die Österreicherin. Um das Ziel wirklich zu erreichen, brauche es aber einen Kurswechsel in der EU, fügte Schilling hinzu: "Mit dem jetzigen Aushöhlen und Abschwächen von Klimagesetzen werden wir dieses Ziel nicht erreichen."

Handel mit Klimazertifikaten in der Kritik

Mit Klimazertifikaten aus Nicht-EU-Ländern sollen Treibhausgasemissionen, die in der EU entstehen, verrechnet werden können: So soll es möglich sein, Emissionsgutschriften für Projekte der Kohlenstoffspeicherung oder -entnahme aus der Atmosphäre zu kaufen und den inländischen Reduktionen zuzuschlagen. Bei der Nutzung von Auslandszertifikaten zur Kompensation befürchten Kritiker, dass wirtschaftlich weniger leistungsstarke Staaten im Globalen Süden ihre nationalen Klimaziele bewusst niedriger ansetzen, um sich Aufstockungen von den Europäern bezahlen zu lassen - oder dass Minderungen doppelt angerechnet werden könnten.

Zwischenziel auf dem Weg zur Klimaneutralität

In der EU gab es schon vor der Einigung festgeschriebene Klimaziele, bei dem jetzigen handelt es sich um eine weitere Zwischenetappe. Bis 2030 müssen die Emissionen um 55 Prozent gegenüber 1990 sinken. Ab 2050 will die EU dann komplett klimaneutral sein, also nur noch so viele Treibhausgase ausstoßen, wie die Natur und technische Methoden speichern können. Für das erste Zwischenziel 2030 sehen Forscher die EU auf einem guten Weg, danach dürfte es schwieriger werden.

Die EU-Kommission soll deshalb alle zwei Jahre überprüfen, ob man sich in die richtige Richtung bewegt – und ob das 2040er-Ziel mit Europas Wettbewerbsfähigkeit und wissenschaftlichen Erkenntnissen vereinbar ist. Wenn nötig, soll die Kommission auch neue Gesetzesvorschläge machen können. Sollten Kohlenstoffsenken wie Wälder oder Moore weniger zur Senkung der Emissionen beitragen als angenommen, soll das Reduktionsziel verringert werden können.

Mit Informationen von dpa, AFP und Reuters

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