Wenn die Harvard University sich diesen "Schritten in Richtung Tyrannei" nicht widersetzen könne, wer denn dann? Diese rhetorische Frage stellt Lawrence Summers und er weiß, wovon er spricht: Summers war von 2001 bis 2006 Präsident der renommiertesten Hochschule Amerikas und ehemaliger Finanzminister. Harvard verfüge über ein Finanzkapital von mehr als 50 Milliarden Dollar, über ein weltweites Prestige als Kaderschmiede der nationalen und internationalen Bildungselite, über ein breites Netzwerk an Ehemaligen, den sogenannten Harvard Alumni.
Dies sollte eigentlich ausreichen, um sich gegen die rasche Abfolge juristischer Breitseiten des Weißen Hauses wehren zu können. Und richtig: Keine 24 Stunden nach der apodiktischen Mitteilung des Trump’schen Heimatschutz-Ministeriums, die Regierung werde ausländischen Harvard-Studenten und Wissenschaftlern ab dem Studienjahr 2025/26 keine Visa mehr gewähren, reichte die Universität Klage vor dem Bundesgericht in Boston ein. Es handele sich um eine "Vergeltungskampagne" der Trump Administration gegen die Universität, heißt es in der Klageschrift. Am Freitagnachmittag verhängte Bundesrichterin Allison Burroughs eine einstweilige Verfügung, mit der die Regierungs-Anordnung vorübergehend nicht wirksam wird. Doch der Schaden, den das Weiße Haus der Elite-Universität zufügen will, dürfte längst eingetreten sein.
"Ungesetzliche und ungerechtfertigte Aktion"
Der amtierende Harvard Präsident, Alan Garber, wurde in einer Universitäts-Rundmail deutlich: Er verurteile "diese ungesetzliche und ungerechtfertigte Aktion". Die Absicht des Weißen Hauses sei klar: Nicht allein wolle die Regierung "die Zukunft von Tausenden von Studenten und Wissenschaftlern" von Harvard gefährden.
Vielmehr gehe es dem Weißen Haus darum, "unzähligen anderen Hochschulen und Universitäten im ganzen Land" eine Warnung zukommen zu lassen. Die Trump Administration, so heißt es in der Klageschrift, wolle "die Leitung, den Lehrplan und die 'Ideologie' seiner Dozenten und Studenten kontrollieren." Dies verstoße unter anderem gegen den ersten Verfassungszusatz. Mit einem "Federstrich" versuche die Regierung, ein Viertel der Harvard-Studierenden auszulöschen: ausländische Studentinnen und Studenten. Diese leisteten einen "wichtigen Beitrag" zur Universität. Das Fazit: "Ohne seine internationalen Studenten ist Harvard nicht Harvard."
Erpressungsmethoden der US-Regierung
Heimatschutzministerin Kristi Noem rechtfertigte die faktische Verbannung ausländischer Studenten und Wissenschaftlern mit der Behauptung, Harvard fördere "Gewalt und Antisemitismus" und stimme sich "mit der Kommunistischen Partei Chinas ab".
Sollte indes die Universität, so sagte die Ministerin am Donnerstag, "innerhalb von 72 Stunden eine Reihe von Aufzeichnungen über internationale Studenten, einschließlich Video- oder Audioaufnahmen ihrer Protestaktivitäten in den vergangenen fünf Jahren vorlegen", dann könnte Harvard wieder den Zugang zum staatlichen "Student and Exchange Visitor Program" erhalten. Universitäten, deren Zugang zu dieser Plattform von der Regierung zertifiziert ist, können auf diesem Wege die Visa-Anträge ihrer ausländischen Studierenden einreichen. Bereits am 16. April hatte die Heimatschutzministerin der Harvard Universität eine lange Liste von Forderungen zukommen lassen: Verlangt wurden unter anderem die Namen und Daten von allen ausländischen Studenten, deren Online-Aktivitäten, mögliche Teilnahme an Protestdemonstrationen innerhalb der letzten fünf Jahre und vieles mehr. Und das Ganze binnen zweier Wochen.
Diesen Forderungen sei Harvard bis Ende April nachgekommen, heißt es in der Klageschrift der fast 400 Jahre alten Universität: Trotz der "beispiellosen Art und des Umfangs" der Forderungen, die Informationen über jeden Inhaber eines Studentenvisums (knapp 7.000 Studenten an den 13 Harvard-Schulen, wie etwas der Harvard Business School) innerhalb von zehn Werktagen zu verlangen, seien diese Informationen am 30. April übermittelt worden. Daraufhin beschied Ministerin Noem am Donnerstag dieser Woche: Das sei "ungenügend". Die Trump-Regierung habe sich verpflichtet, "den gesunden Menschenverstand in unser Studentenvisasystem wiederherzustellen", sekundierte Noems Stellvertreterin Tricia McLaughlin am Freitag in einer schriftlichen Mitteilung. Daran werde sich gar nichts ändern: "Wir haben das Gesetz, die Fakten und den gesunden Menschenverstand auf unserer Seite."
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