(Symbolbild) Rauch steigt aus Schornsteinen von Industriebetrieben auf.
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(Symolbild) Funktionäre der EU-Kommission haben wohl Umweltverbände und andere NGOs zu direkter Lobbyarbeit verpflichtet.

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Klima-Klagen gegen deutsche Firmen: EU soll NGOs bezahlt haben

Einem Medienbericht zufolge soll die EU Klimaaktivisten bei Klagen gegen deutsche Unternehmen unterstützt haben. Ziel war es demnach, die Öffentlichkeit von der Klimapolitik der EU zu überzeugen. Dafür sollen Millionen Steuergelder geflossen sein.

Über dieses Thema berichtet: BAYERN 3-Nachrichten am .

Immer wieder steht die Vergabe von EU-Geldern an Nichtregierungsorganisationen in der Kritik. Nun scheint aber ein regelrechter Skandal aufgedeckt worden zu sein: Wie die "Welt am Sonntag" (externer Link; möglicherweise Bezahlinhalt) berichtet, soll die Europäische Kommission im Verborgenen Umweltverbände dafür bezahlt haben, mit Klagen und öffentlichen Kampagnen gegen deutsche Unternehmen vorzugehen.

EU-finanzierte Lobbyarbeit für deutschen Kohle-Ausstieg

Die Zeitung konnte die bislang geheimen Verträge aus dem Jahr 2022 vollständig einsehen. Die Aktivisten sollten demnach mit Fördergeldern unter anderem dazu gebracht werden, in Deutschland den Ausstieg aus der Kohlekraft voranzutreiben und dabei mit Bürgerbewegungen und Klima-Camps zusammenzuarbeiten.

Besonders brisant: EU-Beamte stimmten sich offenbar bis ins kleinste Detail mit Aktivisten ab. In den Verträgen formuliert die EU-Kommission etwa genau, was die Aktivisten als Gegenleistung für die Fördergelder zu erbringen hätten. Die Rede ist von einer bestimmten Anzahl an Lobby-Briefen, Nachrichten in den sozialen Medien und Treffen mit Abgeordneten des Europäischen Parlaments.

Kampagnen sollen bis ins Detail gemeinsam geplant worden sein

In erster Linie hätten Funktionäre der Generaldirektion Umwelt der EU-Kommission damit versucht, die eigene Klimapolitik voranzutreiben und die Öffentlichkeit davon zu überzeugen. So sollte die Nichtregierungsorganisation (NGO) "ClientEarth" etwa ganz konkret deutsche Kohlekraftwerke in Gerichtsprozesse verstricken, um das "finanzielle und rechtliche Risiko" der Betreiber zu erhöhen, wie die "Welt am Sonntag" schreibt.

Den Verband "Friends of the Earth" beauftragten Mitarbeiter der Kommission mit dem Kampf gegen das Freihandelsabkommen Mercosur zwischen Europa und Südamerika – obwohl es Kollegen im eigenen Haus zur selben Zeit vorantrieben, wie es weiter heißt.

Andere Gruppen bekamen Geld für die Beeinflussung von EU-Abgeordneten vor Abstimmungen zu Pflanzenschutzmitteln und Chemikalien. Dies alles sei im Namen des sogenannten "Green Deals" geschehen, der Europa bis 2050 in den ersten klimaneutralen Kontinent der Erde verwandeln soll.

Vorwürfe gibt es seit Langem

Die Anschuldigungen sind nicht neu. Seit Monaten steht der Vorwurf im Raum, dass vor allem die Generaldirektion Umwelt der EU-Kommission verschiedene NGOs für Lobbyarbeit gegenüber anderen EU-Institutionen bezahlt habe. Vor allem die Europäischen Volkspartei kritisierte zuletzt immer wieder die Art und Weise der Vergabe von Mitteln an NGOs. Auch die Prüfer des Europäischen Rechnungshofes hatten im April in einem Bericht betont, dass die EU-Finanzierung für NGOs zu undurchsichtig sei und es an Transparenz mangele.

Deutsche Europaabgeordnete beklagen Transparenz-Mängel bei Vergabe von NGO-Geldern

Nun werden die Rufe nach Konsequenzen jedoch lauter. "Die Abkürzung NGO darf kein Freibrief für eine willkürliche und unkontrollierte Verwendung von Steuergeldern sein", sagte etwa die CSU-Europaabgeordnete Monika Hohlmeier der Zeitung. Derzeit sei die Transparenz bei der Verausgabung der Mittel sowie bei den finanziellen Quellen von einigen NGOs nicht adäquat gewährleistet.

Die stellvertretende FDP-Bundesvorsitzende und Europaabgeordnete Svenja Hahn erklärte, bei den Bürgern bleibe der Eindruck, die Kommission fördere mit Steuerzahlergeld nur ihr liebsame Meinungen. "Das schadet dem Vertrauen in die europäischen Institutionen massiv."

EU-Kommission weist Kritik zurück

Zwar ist die Diskussion über NGO-Finanzierungen und vorhandene Transparenzmängel seit Monaten in Brüssel akut. Belegt sind die Informationen der "Welt am Sonntag" allerdings nicht, das Blatt führt in seinem Bericht keine Nachweise auf. Behauptungen, die EU-Kommission würde von ihr finanzierte Umweltorganisationen explizit zur Lobbyarbeit verpflichten, haben sich in der Vergangenheit in der Regel ebenso nicht bestätigt.

Die EU-Kommission selbst äußerte sich einen Tag später - und wies den Bericht zurück. "Auch wenn es gerade so in manchen Medien behauptet wird: Es gibt keine 'geheimen Verträge' zwischen der Europäischen Kommission und NGOs", teilte ein Kommissionssprecher mit. Informationen darüber, wer EU-Mittel bekomme und wie viel, seien auf der Website des Finanztransparenzsystems der Kommission öffentlich zugänglich. 

Auch Grüne im Europaparlament relativieren die Behauptungen

Das Thema sei bereits im Februar intensiv mit dem Europäischen Parlament aufgearbeitet worden, erklärte der Sprecher der Brüsseler Behörde weiter. Nichtregierungsorganisationen würden zu einem demokratischen System gehören und eine wichtige Rolle bei der Gestaltung, Überwachung und Durchsetzung von Rechtsvorschriften spielen.

Auch die Europa-Grünen sehen in dem Medienbericht keinen Skandal. "Dass die EU-Kommission zivilgesellschaftliches Engagement unterstützt, ist seit Jahrzehnten gängige Praxis - und richtig so", erklärte der klimapolitische Sprecher der Grünen im Europäischen Parlament, Michael Bloss. "Die Behauptung, die Kommission instrumentalisiere die Zivilgesellschaft, ist schlicht falsch. Die Organisationen erhalten eine Grundförderung, agieren aber unabhängig", sagte Bloss. Angesichts des Einflusses von Öl- und Gaskonzernen sei die EU-Förderung für Umweltorganisationen kaum mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein.

Anmerkung der Redaktion: Der Artikel wurde erstmals am 07.06.2025 um 10:24 Uhr veröffentlicht. Zu diesem Zeitpunkt stand die Reaktion der EU-Kommission auf die Vorwürfe noch aus. Inzwischen haben wir sie aber ergänzt.

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