Warum Rechtspopulisten von Bürgerkrieg reden – eine Analyse
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Warum Rechtspopulisten von Bürgerkrieg reden – eine Analyse

Bürgerkrieg und Gewalt als Fortsetzung einer Politik, die keine Kompromisse kennt: zwei feste Größen im Denken des radikalen Rechtspopulismus. Wie Trumps Rhetorik der Eskalation und Umsturzfantasien hierzulande zusammenhängen.

Über dieses Thema berichtet: Possoch klärt am .

US-Präsident Trump setzt das Militär gegen protestierende Landsleute in Marsch. Gleichzeitig schreibt er in seinem Netzwerk "Truth Social" von der "Massenzerstörung" durch Migration. In einer Rede vor Soldaten, die der Historiker Timothy Snyder analysiert hat [externer Link], rief er unlängst zu einem "zweiten Bürgerkrieg" auf. Die Existenz der USA, sagte Trump, stehe auf dem Spiel.

Bürgerkrieg und Migration – eine rechtsextreme Dystopie

Ganz in diesem Sinne äußerte sich ein Kommentator der neurechten Wochenzeitung "Junge Freiheit" in Deutschland. Er schrieb kürzlich im Zusammenhang mit den Protesten in Los Angeles von einer "Landnahme", die den Bestand der USA bedrohe. Philipp Adorf, Populismusforscher und Experte für die äußerste Rechte in den USA, sieht Parallelen in Europa. Das "Bild des Bürgerkriegs" werde hier wie dort mit der Migration verknüpft, "mit dem Argument: der Staat sei eigentlich ein Volksfeind, der gegen die Interessen des eigenen Volkes eine ethnisch diverse Gesellschaft" zulasse.

Bürgerkrieg als zwangslogische Konsequenz der Migration – dieses dystopische Szenario propagieren auch AfD-Politiker: Der Bundestagsabgeordnete René Springer twitterte laut dem Verfassungsschutzgutachten zur AfD: "Remigration oder Bürgerkrieg auf Raten. Das sind die einzigen zwei Optionen".

Umsturzphantasien der "Akzelerationisten"

Das Thema Migration wird instrumentalisiert. In den USA wird damit laut Philipp Adorf "ein Stück weit ein Ausnahmezustand legitimiert, eine Basis geschaffen, um gegen gewisse Gruppen vorgehen zu können." Häufig – unter anderem in Deutschland – sind Rechtspopulisten aber viel grundsätzlicher darauf aus, Widerstand und Gewalt gegen den freiheitlichen Staat zu rechtfertigen.

Adorf verweist in dem Zusammenhang auf die sogenannten Akzelerationisten. Diese rechtsextreme Strömung argumentiere, "der Staat sowohl in den USA als auch in Deutschland sei auf demokratischem Wege nicht mehr zu retten". Deshalb müsse "das System" aus Sicht der Fundamentalisten komplett zerstört und neu aufgebaut werden.

In ähnlich radikalem Tenor schrieb Anne Cyron, ehemalige AfD-Landtagsabgeordnete in Bayern, in einem internen Chat [externer Link, möglicherweise Bezahlinhalt]: "Wenn Wahlen etwas ändern würden, wären sie längst verboten […]. Denke, dass wir ohne Bürgerkrieg aus dieser Nummer nicht mehr rauskommen werden."

"Offenheit für politische Gewalt nimmt zu"

Akzelerationisten sehen sich berechtigt zum Widerstand. Laut Politikwissenschaftler Philipp Adorf schafft "diese Rhetorik natürlich eine Offenheit für Gewalt, weil man argumentiert, der Staat ist euer Feind. Der Staat agiert nicht im Interesse von euch, dem wahren Volk, sondern im Interesse einzelner kleiner Gruppen und Minderheiten".

Der demokratische Staat als Feind: Die im Mai ausgehobene mutmaßliche terroristische Vereinigung "Letzte Verteidigungswelle" setzte sich laut Bundesanwaltschaft das Ziel, "durch Gewalttaten vornehmlich gegen Migranten und politische Gegner einen Zusammenbruch des demokratischen Systems in der Bundesrepublik Deutschland herbeizuführen".

"Männlich und wehrhaft"

Die Bürgerkriegsphantasien im Rechtspopulismus gehen Hand in Hand mit dem Narrativ von Männlichkeit und Wehrhaftigkeit. "Nur wenn wir unsere Männlichkeit wiederentdecken, werden wir mannhaft. Und nur wenn wir mannhaft werden, werden wir wehrhaft, und wir müssen wehrhaft werden", fordert der thüringische AfD-Fraktionsvorsitzende Björn Höcke. Männlichkeit und Tatkraft gelten als Gegenkonzept zu einer verweichlichten liberalen Demokratie, wie der Politologe Bruno Quélennec analysiert hat [externer Link]. Auch Donald Trump inszeniert sich als stark und männlich.

Philipp Adorf hält die Gefahr für realistisch, dass durch die rechtspopulistische Rhetorik unter anderem vom Bürgerkrieg nicht nur Terroristen, sondern "auch Anhänger der AfD in Zukunft offener für politische Gewalt sein könnten". Mann dürfe auch "nicht vergessen: Die Stürmung des Reichstages fand vor der Stürmung des US-Kapitols statt. Da sieht man, dass gewisse Ähnlichkeiten vorhanden sind und dass das auch in Zukunft eine Rolle spielen kann".

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