Trump, Putin, Xi – drei mächtige Männer, die gerade bei den wichtigsten Verhandlungen mitmischen. Sei es im Zollstreit oder im Russland-Ukraine-Krieg. Matthias Schranner beobachtet sie genau. Er gilt als einer der renommiertesten Verhandlungsexperten weltweit. Der aus Moosburg an der Isar stammende Polizist verhandelte 17 Jahre bei Geiselnahmen, berät heute Regierungen und Konzerne und arbeitet aktuell für die UN im Nahen Osten.
BR24: Was ist der größte Denkfehler in schwierigen Verhandlungen?
Matthias Schranner: Dass man glaubt, im Recht zu sein und der Gegenseite beweisen zu müssen, dass sie im Unrecht ist. Das hat noch nie funktioniert. Das Ziel einer Verhandlung ist nicht, Recht zu haben, sondern Konflikte zu lösen.
"Kompromisswille ist meist billige Ausrede"
BR24: Also müssen wir kompromissbereit sein?
Schranner: Dieser Wille zum Kompromiss ist meist eine billige Ausrede, nicht wirklich verhandeln zu müssen oder zu wollen. Man schwenkt viel zu schnell ein. Es braucht den Konflikt, es braucht die Sackgasse, es braucht diese Eskalation, um sich intensiv mit einer Materie zu beschäftigen. Wenn man immer nur schnell Kompromisse macht, bleiben die echten Konflikte ungelöst.
Im Video: Wie knacken wir Trump, Putin & Co., Herr Schranner? Possoch klärt!
Der Rationale und der Spieler
BR24: Gibt es eigentlich unterschiedliche Typen von Verhandlern?
Schranner: Aus meiner Erfahrung gibt es zwei Typen: den rationalen und den spielerischen. Der rationale Verhandlungsführer – typisch deutsch – hat eine Logik: "Weil ich letztes Jahr viel gearbeitet habe, möchte ich mehr Geld." Es gibt eine Kausalität zwischen Ursache und Wirkung. Der spielerische Typ steigt einfach mal hoch ein, um zu sehen, was passiert. Wir Deutsche finden das unseriös – für uns ist Verhandlung etwas Rationales. Im amerikanischen Sprachraum ist die Verhandlung ein Spiel. Es sind einfach Machtspiele, und Trump ist natürlich ein Meister darin, Macht zu zeigen. Wenn ein Rationaler mit einem Spieler verhandelt, verliert meist der Rationale, weil er sich über die Irrationalität der Gegenseite ärgert.
BR24: Wir müssten also mehr so verhandeln wie Trump?
Schranner: Ich bin großer Fan davon, jeden Konflikt, den es gibt, proaktiv anzugehen, neue Forderungen zu stellen, vielleicht wie Trump auch mal ein bisschen zu hohe Forderungen zu stellen, weil man dadurch einfach unheimlich viel lernt.
Putin und das Prinzip der Nichteinigung
BR24: Wie verhandelt man mit jemandem, der systematisch Regeln bricht oder gar nicht verhandeln will?
Schranner: Es gibt nur zwei Möglichkeiten: Einigung oder Nichteinigung. Bei Putin merkt man immer mehr, dass er keine Einigung haben möchte. Die Nichteinigung ist für ihn besser als eine Einigung. Würde er sich einigen, müsste er die Konsequenzen tragen – zum Beispiel einen Waffenstillstand und das Ende militärischer Aktionen. Das will er offensichtlich nicht. Deshalb schickt er nur niedrigrangige Teams zu Verhandlungen.
BR24: Und wie würden Sie die Ukraine-Russland-Verhandlungen führen?
Schranner: Ich würde auf gar keinen Fall öffentlich verhandeln, weil das zum Gesichtsverlust führt. Das sehen wir bei Trump, der gesagt hat, den Konflikt in wenigen Stunden zu lösen, und jetzt zurückrudern muss. Eine Einigung ist derzeit nicht möglich, solange Russland glaubt, militärische Ziele erreichen zu können. Man müsste erst die militärische Macht Russlands beschränken.
"Trump ist sehr berechenbar"
BR24: Wie verhandelt man mit jemandem wie Donald Trump?
Schranner: Trump ist aus meiner Sicht sehr berechenbar. Er macht immer das Gleiche: Er steigt mit extrem hohen, irrationalen Forderungen ein – 50 Prozent Strafzölle – verbunden mit einer Drohung. Bei den ersten Zeichen des Einlenkens der Gegenseite werden diese Drohungen sofort verschoben, aber nicht weggenommen. Es ist immer das gleiche Vorgehen. Ich warne davor, diesen Mann zu unterschätzen.
BR24: Und was wäre dann die Verhandlungstaktik gegenüber Trump?
Schranner: Man muss genauso dagegen gehen. China hat das perfekt gemacht: Trump sagte 100 Prozent Strafzölle, China antwortete mit 200 Prozent auf amerikanische Produkte. Volle Sahne dagegen, um einen Gleichstand herzustellen. Wir Deutsche finden das unseriös, aber im amerikanischen Sprachraum ist das normal. Für die ist Verhandlung ein Spiel.
BR24: Danke für das Gespräch.
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