Als Wildtierökologe Marco Heurich im Sommer 2015 eine für Luchse aufgestellte Wildkamera auswertet, erlebt er eine Überraschung: ein Foto von einem Wolf. Dieser Wolf wird sesshaft in dem riesigen Gebiet der beiden Nationalparks Bayerischer Wald und Šumava in Tschechien. Nachdem auch eine Wölfin zuwandert, gibt es 2017 den ersten Wolfsnachwuchs in Bayern.
Das neu entstandene Rudel zieht sich auf die tschechische Seite zurück. Weitere Rudel bilden sich aus den Nachkommen und weiterer, neu zugewanderter Wölfe. Mittlerweile gibt es im Gebiet der beiden Nationalparks fünf Rudel, ein Paar und einen Einzelgänger (Zählung 2023/2024). Die Kerngebiete der Tiere liegen auf tschechischer Seite, sie kommen aber immer wieder nach Bayern.
Spielen die Wölfe eine wichtige Rolle?
Für Marco Heurich genug Tiere, um ein Forschungsprojekt zu starten. Mit der Frage: Haben die Wölfe einen Einfluss auf den Wald und seine Bewohner? Denn aus Studien im Yellowstone Nationalpark weiß er: Kehren die Wölfe zurück, hat das einen positiven Einfluss auf die Natur. "Das führt zu mehr Pronghorn-Antilopen, es gibt wieder mehr Grizzlybären und auch der Wald verjüngt sich wieder besser."
In den beiden Nationalparks in Bayern und Tschechien hat die größte Tierart, das Rotwild, bis zur Rückkehr der Wölfe keinen natürlichen Feind. Allein im Nationalpark Bayerischer Wald gibt es etwa 700 Stück.
Größte Tierart im Nationalpark muss bis jetzt bejagt werden
Auch wenn in dem Schutzgebiet die Vorgabe gilt, die Natur möglichst sich selbst zu überlassen, gilt das nicht für das Rotwild. Es wird im Spätherbst in sogenannte Wintergatter gelockt und gefüttert, um zu verhindern, dass zu viele Tiere in angrenzende Wälder wandern. Rotwild kann beträchtliche Schäden in Wirtschaftswäldern anrichten. Besonders an jungen Bäumen, die für den Waldumbau im Klimawandel wichtig wären. Deswegen muss es auch im Nationalpark "reguliert" werden, also bejagt, um benachbarte Wälder zu schützen.
Halsband-Sender verraten, wo sich die Tiere aufhalten
In dem Forschungsprojekt arbeiten bayerische und tschechische Wissenschaftler eng zusammen. Im tschechischen Nationalpark Šumava wurden im Laufe der Zeit insgesamt elf Wölfe mit einem Halsband-Sender ausgestattet.
Die Wissenschaftler können so die Wegstrecken der Tiere nachvollziehen. Die führen sie zu ihrer Beute. Auch an die 360 Kotproben der Wölfe wurden analysiert. Das mit EU-Geldern geförderte Forschungsprojekt startete vor zweieinhalb Jahren. Jetzt gibt es erste Ergebnisse: Die Wölfe im Nationalpark Bayerischer Wald fressen hauptsächlich Rothirsche. An zweiter Stelle stehen Biber. Gefolgt von Wildschweinen und Rehen.
Das Rotwild hat sich auf die Beutegreifer eingestellt, es ist vorsichtiger geworden und hält sich weniger im Wald und dafür mehr auf offenen Flächen auf. Dass die Wölfe wieder da sind, sehen Wildtierökologen und die Leiter der beiden Nationalparks als Gewinn für die beiden Schutzgebiete.
Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.
"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!

