Eine bemerkenswerte Argumentation, die Kreml-Propagandist Sergei Markow seinen 80.000 Fans vorlegte [externer Link]. Obwohl der Iran Russland seit Jahren mit Drohnen belieferte und die Vertreter des Mullah-Regimes bisher in Moskau gern gesehene Gäste waren, scheint sich die Sympathie plötzlich in Grenzen zu halten: "Russland ist ein Freund und politischer Verbündeter des Iran, aber kein militärischer Verbündeter. Und es ist an dem Konflikt nicht beteiligt."
"Unter dem Banner von Leopold dem Kater"
Dennoch hofft Markow darauf, dass die Eskalation im Nahen Osten den "Erfolg der russischen Armee fördern" werde. Einerseits stiegen die Ölpreise, was dem russischen Haushalt zugute komme, andererseits werde China jetzt wieder mehr russisches Öl kaufen müssen, drittens müssten die USA ihre Waffenlieferungen von der Ukraine in den Nahen Osten umleiten und überdies nehme die internationale Aufmerksamkeit für die Ukraine ab.
Weniger staatstragende Kommentatoren verwiesen darauf, dass Putin mit Assad in Syrien bereits einen "Verbündeten" verlor und jetzt womöglich bald iranische Mullahs in Moskau als Exilanten aufnehmen müsse.
Polit-Blogger Alexei Schiwow (110.000 Follower) zeigte sich wenig zuversichtlich über die russischen Perspektiven [externer Link]: "Das russische Außenministerium hat die israelische Militäroperation im Iran scharf verurteilt , sich aber emotional nicht an den iranischen Probleme beteiligt. Unsere Außenpolitik steht weiterhin unter dem Banner von Leopold dem Kater." Dabei handelt es sich um eine bekannte sowjetische Zeichentrick-Figur, die mit ihrer Gutmütigkeit gegenüber Mäusen und dem Wahlspruch bekannt wurde: "Leute, lasst uns friedlich miteinander auskommen."
"Klar, dass der Iran am Ende ist"
Noch pessimistischer ist Beobachter Sergei Koljaschnikow [externer Link]. Er berichtet über sein "Bauchgefühl": "Es besteht noch ein Funken Hoffnung, aber insgesamt ist bereits jetzt klar, dass der Iran am Ende ist. Alle, die zum Kampf bereit waren, werden systematisch ausgelöscht. Die westlichen Geheimdienste tun so, als wären sie dort zu Hause. Das Schwungrad des Krieges dreht sich, und danach werden sie beginnen, die Unruhen von innen heraus anzufachen."
Politologe Maxim Scharow spekulierte [externer Link], Israel ziele auf eine Destabilisierung des iranischen Regimes und erhöhe die Wahrscheinlichkeit eines internen Putsches: "Die aktuellen Ereignisse stellen daher nicht nur eine Herausforderung für den Iran selbst, sondern auch für China dar. Gerüchte über Xi Jinpings politische und medizinische 'Probleme' kursierten in den letzten Tagen nicht ohne Grund. Daher müssen wir nun nicht nur die Reaktion des Irans, sondern auch die Chinas beobachten."
"Wie ein Spiel Argentinien gegen Jamaika"
Putin stehe vor einer "schwierigen Entscheidung", so der kremlkritische Politologe Anatoli Nesmijan [externer Link]: "Es ist für den Kreml unmöglich, Partei zu ergreifen, doch eine neutrale Haltung würde vom Iran äußerst unfreundlich aufgenommen werden. Friedensappelle sind in diesem Fall sinnlos, da Russland nicht nur keine Möglichkeit hat, diesen Frieden zu sichern, sondern auch sonst nichts Wirksames anbieten kann."
BR24
Der Präsident der St. Petersburger Politikstiftung, Michail Winogradow, startete unter seinen Lesern eine nicht ganz ernst gemeinte Umfrage [externer Link], wie Russland sich gegenüber dem Iran verhalten solle. Ergebnis: Nur sieben Prozent waren dafür, dem "seit Jahrhunderten geopolitischen Partner" zu helfen, 55 Prozent empfahlen, "nach dem Wochenende" noch mal darüber nachzudenken.
"Folge der Trägheit des Systems"
Juri Podoljak, mit 3,1 Millionen Abonnenten Russlands wichtigster Militärblogger, gab sich schwer enttäuscht über Teheran [externer Link]: "Bisher wirken die iranischen Gegenmaßnahmen irgendwie eindeutig glanzlos. Sie hätten einen Plan für den Fall eines israelischen Angriffs haben sollen, aber bisher gibt es keine klaren Anzeichen für dessen Umsetzung. Es gibt eine Art unentschlossenes und unklares Gezitter."
Der Iran sei nur noch hilfloser "Prügelknabe", so ein weiterer tonangebender Blogger mit 550.000 Fans [externer Link]. Israel setze daher auf den Sturz der Ajatollahs: "Der Iran wirkt völlig zahnlos gegenüber den israelischen Angriffen. Die Behörden in Teheran haben Schwäche gezeigt, die eine Folge der Trägheit des Systems war (das sich nicht ändern will). Dafür bezahlen sie jetzt (nach Syrien)." Andere russische Beobachter forderten eine sofortige Mobilisierung, damit Russland nicht bald genauso ende wie der Iran.
"Strategische Schwachstelle"
Politologe Georgi Bovt verwies auf für den Kreml betrübliche militärische Unterschiede [externer Link] zwischen dem Nahost-Konflikt und der Ukraine: "Israel hat ein kleines Territorium, das vollständig durch ein Luftverteidigungssystem abgedeckt werden kann. Russland verfügt über ein riesiges Territorium. Jahrhundertelang galt das als strategischer Vorteil. Nun hat es sich zu einer strategischen Schwachstelle entwickelt. Denn es ist unmöglich, dieses Gebiet mit den bestehenden Luftverteidigungssystemen gegen Hunderte und in Zukunft Tausende von Drohnen abzudecken."
Peinlich für den Kreml: Vom 10. bis 12. Juni fanden im Iran in Anwesenheit der russischen Kulturministerin "Russische Kulturtage" statt. Jetzt sitzen rund fünfzig Musiker des Bolschoi-Orchesters in Isfahan fest [externer Link]. Die russischen Behörden suchen nach Möglichkeiten einer "Evakuierung".
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