Benoit Blanc (Daniel Craig) kehrt zu uns zurück ins (Heim-)Kino und wird zu dem wohl schwierigsten Fall seiner Karriere gerufen. Denn in einer kleinen Kirchengemeinde irgendwo im Nirgendwo des Bundesstaates New York steht der junge Priester Jud Duplenticy (Josh O’Connor) unter Verdacht, den Leiter der Pfarrei ermordet zu haben. Wie und warum, weiß keiner so genau – denn Wicks Tod gleicht einem tragischen Wunder, herbeigeführt durch unheilige Mächte. Misstrauen breitet sich aus wie ein Lauffeuer in der Gemeinde, die eine Gemeinschaft voller Geheimnisse zu sein scheint.
Ein neuer Ton, weg vom heimeligen "Cosy Crime"
Wohlige Wärme und fast schon Slapstick-würdiger Humor prägten die ersten beiden Teile der Netflix-Krimireihe: "Knives Out – Mord ist Familiensache" und "Glass Onion: A Knives Out Mystery". Sie sind für den "Cosy Crime"-Hype mitverantwortlich, der auf TikTok, im Buchhandel und im ganzen Unterhaltungsuniversum in den letzten Jahren immer größer wurde.
"Cozy Crime" ist eine Weiterentwicklung des klassischen Rätsel-Krimis – auch bekannt als "Whodunit", der englischen Abkürzung für "Wer hat es getan?". Der Name ist Programm, denn im Fokus stehen faszinierende Rätsel an idyllischen (Tat-)Orten, statt brutaler Gewalt und exzessiver Härte.
Gewalt und blutige Details haben auch dieses Mal kaum Platz in Regisseur Rian Johnson Werk. Aber neu ist, dass "Wake Up Dead Man: A Knives Out Mystery" bewusst mit düsterem Unbehagen spielt, was man sonst eher aus Thrillern kennt. Der Grund: Johnson behandelt in diesem Film seine persönliche, schwierige Beziehung zur Religion. "Themen wie Schuld, Mysterium, Moral und fehlbare Menschlichkeit fühlen sich in einer Kirche, mit einem Mann Gottes im Mittelpunkt, ganz selbstverständlich an", erklärt er. Und Kirchen-Krimis haben zudem eine starke Tradition, die auch der Filmemacher wertschätzt: "Christies 'The Murder at the Vicarage' ist ein Klassiker, aber mein größter Einfluss für diesen Film waren G.K. Chestertons Father Brown-Geschichten."
Das wahre Geheimnis hinter dem Erfolg: ein britischer Geheimclub
Dass Krimi-Größen wie G.K. Chesterton und Agatha Christie zu Rian Johnsons größten Inspirationsquellen zählen, ist kein Zufall. Beide waren Teil einer (damals geheimen) sorgfältig ausgewählten Gesellschaft, die sich "Detection Club" nannte und sich aus talentierten Kriminal-Autorinnen und -Autoren zusammensetze. Beide waren zu gegebener Zeit Präsidenten des Clubs, der sich 1930 aus 26 Köpfen gründete, die sich auch zuvor schon über kreative Mord-Szenarien, kluge Verkaufsstrategien und ihre Arbeiten im Krimi-Genre ausgetauscht hatten.
Die Ideen dieser kreativen Gemeinschaft bedingen noch heute, wie gute Kriminalgeschichten im "Whodunit"-Bereich geschrieben werden: die zehn Gebote von Ronald Knox. Dieses – ursprünglich nicht ganz ernst gemeinte – Regelwerk, ist quasi ein Leitfaden zur idealen Kriminalgeschichte.
Die goldenen Regeln zum idealen Krimi
Die fast hundert Jahre alten Regeln des Detection Clubs, den es noch heute gibt (!), sind simpel und wollen vor allem eines: Fairness für alle Hobbydetektive, die mitlesen oder -schauen. Denn Fairness beim Rätseln befriedigt. So bestimmten Knox, Christie und Co. zum Beispiel, dass der Verbrecher früh in die Geschichte eingeführt werden muss, dass es keine unbekannten Doppelgänger geben darf und keine unbekannten Gifte zur Waffe der Wahl werden.
Und sie garantieren sowohl in "Knives Out" als auch in anderen "Cosy Crime"-Storys das Geschenk des Genres, das es so beliebt macht: Gerechtigkeit am Ende der Geschichte, auch wenn die Tat noch so undurchschaubar schien.
Mehr über den Cosy Crime Hype und alle zehn goldenen Regeln des Detection Clubs: In der aktuellen Folge des BR-Youtube-Formats "Pop Secret Stories".
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