Der Wilde Westen, Oregon, Angels Ridge, 1854: Hier haben die Frauen das Sagen! Fiona Nolan und Constance Van Ness sind zwei ganz unterschiedliche Matriarchinnen. Die eine Aristokratin einer vermögenden Familie mit viel Einfluss; die andere eine Ausgestoßene, die zusammen mit anderen Aussätzigen in einer Art Patchwork-Work-Familie in bescheidenen Verhältnissen lebt.
Die reiche Constance will das Silber, das auf dem Land der gläubigen Fiona liegt. Und: Ein Mord treibt beide Familien um. So entwickelt sich ein macht- und rachegetriebener Konflikt zwischen den beiden Clans.
Die großen Themen: Familie, Loyalität, Gewalt
Die neue Serie von Kurt Sutter packt wie schon das Biker-Drama "Sons of Anarchy" die großen Themen an: Familie, Loyalität, Gewalt. Und sie tut das - ebenfalls so wie man das von Sutter kennt - auf direkte, rohe und wilde Weise. Wilder Westen eben.
Salonschlägereien, Kugelhagel und polternder Pferdegalopp. Daneben sind es weniger die Aufnahmen der Wald- und Gebirgslandschaften, als viel mehr die Krater und Furchen in den Gesichtern der Abandons, der Aussätzigen, die die Kamera im Close-up festhält. Die Serie wird getragen von den beiden Hauptdarstellerinnen, Gillian Anderson und Lena Headey, vor allem Headey als Fiona fesselt die Zuschauer, wie schon in ihrer Rolle als Cersei Lannister in Game of Thrones.
Was allerdings auch die beiden starken Hauptdarstellerinnen nicht auffangen können: Dass die Story wenig Sog entwickelt und vorhersehbar von Konflikt zu Konflikt mäandert. Richtiges Westernfeeling wie in den Klassikern von Sergio Leone oder den Neo-Western, etwa der Coen-Brüder, kommt nicht auf. Hier macht sich bemerkbar, dass Netflix die erste Staffel der Serie von 10 auf 7 Folgen zusammengekürzt hat, um Geld zu sparen. Das führte sogar dazu, dass Showrunner Sutter noch vor Beendigung der Dreharbeiten aus dem Projekt ausstieg. Kreative Differenzen. Wie und ob es mit der Serie weitergeht, ist deshalb ungewiss.
Die epischen Geschichten gibt es bei der Konkurrenz
"The Abandons" steht damit exemplarisch für die generell enttäuschende Formatentwicklung des Streamers in den vergangenen Jahren. Große Erzählungen und Langzeitprojekte (über mehrere Staffeln) - wie einst House of Cards oder Ozark - sind mittlerweile unter den Neuproduktionen kaum mehr zu finden. Stattdessen viel Mittelmäßiges, Austauschbares, Zusammengekürztes und Abgebrochenes.
Die wenigen epischen Geschichten, die es noch gibt, entstehen bei der Konkurrenz, bei AppleTV oder HBO. The Abandons hätte das Zeug zu einem Epos haben können, ist so aber nicht mehr als ein kurzer Rodeo-Ritt. Da hilft es auch nicht, dass zur Abwechslung mal die Frauen die Cowboyhüte tragen.
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