Der neue Spotify Jahresrückblick sorgt für Aufregung in den sozialen Medien
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Der neue Spotify Jahresrückblick sorgt für Aufregung in den sozialen Medien

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Spotify Wrapped: Das steckt hinter dem "musikalischen Alter"

Der Jahresrückblick von Spotify sorgt mit einer neuen Funktion für Verwirrung und Empörung in den sozialen Medien: Das "musikalische Alter" passt bei fast niemandem. Genau das könnte Spotifys Plan gewesen sein.

Über dieses Thema berichtet: BR24 am .

Alter ist nur eine Zahl, versichert Spotify seinen Nutzern in diesem Jahr – bevor die Streaming-Plattform ihnen dann eiskalt mitteilt, wie alt ihr Musikgeschmack angeblich ist. Das Ergebnis: Verwirrung und Empörung auf allen Kanälen. Die 32-jährige Electro-Pop-Künstlerin Charli xcx ist laut Spotify musikalisch 75 Jahre alt, weil sie viel Musik aus den späten Sechzigern hört. Die experimentelle Musikerin Grimes kommt auf stolze 92 Jahre, während die Singer-Songwriterin Gracie Abrams mit 14 etwa halb so alt ist wie in Wirklichkeit.

Auch bei normalen Nutzern sorgt die neue Funktion im personalisierten Jahresrückblick "Wrapped", den Spotify seit 2016 für seine Nutzer erstellt, für Gesprächsstoff. Auch wenn einzelne Nutzer berichten (externer Link), dass in ihrem Spotify Wrapped das musikalische Alter fehlt, ist Instagram ist voll mit Screenshots und Memes von Menschen, die ihr musikalisches Alter präsentieren – mal stolz, mal ratlos. Denn bei kaum jemand scheint die von Spotify vorgeschlagene Jahreszahl zu passen – weder zum tatsächlichen noch zum gefühlten Alter.

Wie Spotify das musikalische Alter berechnet

Laut dem Streaminganbieter basiert die Berechnung auf dem Konzept des sogenannten Reminiscence Bump – der Tendenz von Menschen, sich besonders stark mit Musik aus ihrer Jugend verbunden zu fühlen. Forschungen zeigen, dass das Gehirn von Erwachsenen Erinnerungen aus den Teenagerjahren besonders gut speichert, auch wenn es um Musik geht. Spotify durchsucht die gehörten Songs nach der Fünfjahresspanne, mit der sich ein Nutzer mehr beschäftigt hat als andere in seinem Alter. Die Plattform nimmt dann an, dass diese Zeitspanne dem musikalischen Prägungsalter zwischen 16 und 21 Jahren entspricht. Ein Beispiel: Wer deutlich mehr Musik aus den Neunzigern hört als andere in seinem Alter, bekommt als musikalisches Alter 43 zugewiesen – das Alter von jemandem, der in dieser Zeit tatsächlich zwischen 16 und 21 war.

Dabei reicht es bereits, mindestens drei Lieder abgespielt zu haben, die innerhalb des besagten Fünfjahreszeitraums erschienen sind, wie Spotify gegenüber dem Spiegel (externer Link) mitteilte. Das Ergebnis liegt zwischen 16 und 100 Jahren, wobei 21 Jahre mit neun Prozent der Nutzer weltweit das häufigste musikalische Alter ist. Nur 0,0013 Prozent seien hingegen 98 Jahre alt.

Provokation als Marketing-Trick

Die Spotify-Strategie setzt darauf, dass Nutzer von ihrem musikalischen Alter überrascht werden. Je unglaubwürdiger das Ergebnis, desto größer der Reiz, es zu teilen. Ist man 25 und das musikalische Alter 68, stellt sich die Frage: Was sagt das über einen aus? Spotify hat es perfektioniert, den Drang seiner Nutzer zur Identitätsprojektion im Internet für Marketingzwecke zu nutzen. Bereits in den Vorjahren haben Menschen ihre Top-Fünf-Listen und Hörzeit-Statistiken massenhaft in sozialen Netzwerken geteilt.

Kostenlose Werbung durch empörte Nutzer

Hinter der Funktion steckt eine simple Marketingstrategie: Die meisten Nutzer erfahren von Spotify Wrapped nicht durch klassische Werbung, sondern durch Posts von Freunden in sozialen Medien. Das Unternehmen muss keinen Cent für Anzeigen ausgeben – die Nutzer übernehmen die Arbeit freiwillig. Ob die Empörung über das eigene Ergebnis nun echt oder gespielt ist: Spotify hat sein Ziel erreicht. Die Plattform, die wegen geringer Künstlervergütung und inflationärer Verbreitung von KI-Musik zuletzt kritisiert wurde, generiert unzählige Posts, Stories und Tweets, ohne dafür bezahlen zu müssen.

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