Einen "riesen Seich" nennt der Ski-Gesamtweltcupsieger Marco Odermatt das neue Verbot der Carbon-Einlagen im Ski-Weltcup. "Seich", das lässt sich aus dem Schweizerdeutschen mit "Dummheit" oder "Blödsinn" übersetzen. Odermatt, der in Interviews sonst eher gemächlich auftritt, ist im Gespräch mit der Schweizer Zeitung "Blick" (externer Link, möglicherweise Bezahl-Inhalt) neulich also ganz schön deutlich geworden.
Grund dafür, dass Odermatt zwischenzeitlich seine Schweizer Contenance verlor, ist eine neue Regelung: Ab nächster Saison ist es den Athleten im Weltcup, aber auch in den Kontinental-Serien wie dem Europacup untersagt, Carbon-Einlagen zu tragen. Konkret geht es um "starre Teile, die als Schienbeinschoner im Skischuh getragen werden", wie der Weltskiverband in einer Mitteilung schreibt.
Auch DSV-Routinier Romed Baumann fuhr mit Carbon-Einlagen
Das Schweizer Skiteam, aber auch andere Nationen setzen die Carbon-Schützer seit Jahren ein. Darunter auch DSV-Speedfahrer Romed Baumann, wie er bei der DSV-Einkleidung gegenüber BR24Sport sagte: "Ich bin mit den Schienbein-Deckeln gefahren, mal schauen, wie wir das jetzt wieder so weit anpassen können."
Die Einlagen bieten Schutz, sie ermöglichen es Athleten mit Entzündungen am Schienbein, Trainingseinheiten und Rennen schmerzfrei(er) zu absolvieren. Die Schoner sollen aber auch den Halt im Skischuh verbessern, die Hebelwirkung verstärken und so schneller machen. Baumann aber meint im Interview mit BR24Sport: "Es gibt einige, die das nicht zur Performance-Verbesserung, sondern aus gesundheitlichen Gründen gefahren sind."
FIS-Athletensprecher AJ Ginnis hatte bereits im Mai die Befürchtung geäußert, das Verbot der Carboneinlagen könnte Unmut und Gegenwind vonseiten der Athleten nach sich ziehen: "Es gibt Fahrer, die brauchen die Einlagen", sagte der griechische Slalom-Spezialist. Im Interview mit BR24Sport erzählte er auch, Athleten hätten sich bei ihm gemeldet und gesundheitliche Bedenken geäußert.
Im Video: Romed Baumann äußert sich über Verbot der Carbon-Einlagen
Romed Baumann im Interview am ARD-Mikrofon
DSV-Trainer Charly Waibel findet Verbot "völlig daneben"
Noch deutlicher wurde Charly Waibel, Bundestrainer für Wissenschaft beim Deutschen Skiverband (DSV). Er bezeichnete die Neuerung in einem Interview mit BR24Sport im Mai als "völlig daneben". Zum zentralen Thema in der Sicherheits-Debatte wurden die Carbon-Schützer erstmals nach Cyprien Sarrazins schwerem Sturz im Dezember.
Zwar ist unklar, welche Rolle die Schienbeinschoner bei dem folgenschweren Unfall gespielt haben, trotzdem habe die FIS "völlig vorschnell einen Ursache-Wirkungs-Zusammenhang hergestellt" und das Verbot entschieden, so Waibel.
Odermatt mit Seitenhieb gegen Österreicher: "Trotzaktion!"
Marco Odermatt, der in den vergangenen vier Jahren den Gesamtweltcup gewonnen hatte, konnte sich im Interview mit "Blick" auch einen Seitenhieb nicht verkneifen: "Es ist sicher auch eine Trotzaktion der Österreicher", so der Schweizer.
Die Österreicher hätten zwar auch versucht, mit den Carbon-Einlagen zu fahren, aber "offenbar keinen Benefit davon bekommen", vermutet der 27-Jährige. "Das ist sicher auch ein Grund, warum sie das verbieten."
Die Skination Österreich war in den vergangenen drei Jahren in der Nationenwertung hinter den dominierenden Schweizern geblieben – in der Saison 2024/25 sogar mit deutlichem Abstand (über 3.000 Punkte Differenz).
Odermatt hofft auf Ausnahme-Regel
Um die Schweizer Ski-Vormachtstellung aufrechtzuerhalten, hofft Odermatt auf eine Ausnahmeregelung der FIS. Der 27-Jährige allein hat für Swiss Ski im vergangenen Winter satte 1.721 Punkte eingefahren und ist in allen Disziplinen außer im Slalom an den Start gegangen. Ein Pensum, das er laut eigener Aussage ohne den Einsatz der Carboneinlagen in dem Umfang nicht mehr absolvieren könnte: "Sofern sich keine alternative Lösung findet, könnte ich in Zukunft sicher nicht mehr alle Rennen fahren", sagte er im Interview mit "Blick".
FIS erlaubt Carbon-Einlagen aus "weichem Material"
Etwas aufgeweicht hat die FIS die umstrittene Regelung aber ohnehin schon. Sollte der Einsatz der Carbon-Schoner aus medizinischen Gründen notwendig sein, können die Rennfahrer sich den Einsatz "alternativer Schienbeinschoner aus weichem Material wie Gel oder Schaumstoff, die in alle Richtungen flexibel sind" bei der FIS genehmigen lassen.
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