Jamal Musiala (FC Bayern) liegt verletzt am Boden.
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Jamal Musiala (FC Bayern) liegt verletzt am Boden.

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"Am Anschlag": Belastung und Verletzungen im Spitzenfußball

Mehr als 70 Spiele pro Saison, jedes Jahr zwei Weltumrundungen und nun steht auch noch die Klub-WM an. Die Belastungen im Profifußball steigen seit Jahren enorm - und mit ihnen explodieren die Verletzungszahlen. Experten und Spieler warnen.

Über dieses Thema berichtet: BR24Sport am .

Ende März erhielt der FC Bayern München innerhalb kürzester Zeit zwei Hiobsbotschaften. Es war die letzte Länderspielpause vor der heißen Phase in der Champions League, und der deutsche Rekordmeister musste den Ausfall gleich zweier Leistungsträger verkraften. Alphonso Davies (Kreuzbandriss) und Dayot Upamecano (Meniskusriss) würden den Münchnern für den Rest der Saison fehlen - Christoph Freund war alles andere als begeistert.

Zwischen Schuldzuweisungen und drohenden Spielerstreiks

"Es ist einfach richtig bitter. Für uns ist es einfach nicht korrekt, wie das abgelaufen ist. Phonzy hat über Müdigkeit geklagt", erklärte der Sportdirektor des FC Bayern und warf dem kanadischen Verband "fahrlässiges und unprofessionelles" Verhalten vor. Und auch die Verletzung von Upamecano ärgerte Freund und schob sie auf das große Thema, das den Profi-Fußball beschäftigt: Überbelastung.

Auch aus den Spielerreihen regt sich immer mehr Kritik am vollen Spielplan. Manchester Citys Rodri brachte gar die Möglichkeit eines Spielerstreiks ins Spiel - wenige Wochen, bevor er sich das Kreuzband riss. Topspieler spielen längst regelmäßig über 70 Spiele pro Saison. Regenerationszeit gibt es immer weniger, so lagen für Joshua Kimmich in dieser Saison im Schnitt etwa 103 Stunden zwischen zwei Begegnungen - und das inklusive Winterpause in der Bundesliga, wie Daten aus dem "Player Workload Monitoring" der Spielergewerkschaft FIFPro zeigen.

Verletzungszahlen in der Bundesliga explodieren

Ligaalltag, nationale Pokalwettbewerbe, internationale Pokalwettbewerbe, Nations League, WM-Qualifikation, und nun auch noch die FIFA-Klub-WM. Die Belastung im Fußball, sagt Jan-Philipp Müller, Teamarzt des FC Bayern Campus, gegenüber BR24Sport, nimmt zu: "Nicht nur in den letzten Jahren, sondern im letzten Jahrzehnt ist sie wahnsinnig stark gestiegen." Und auch Christoph Sollors, Physiotherapeut, der lange beim FC Augsburg gearbeitet hat, sagt: "Die Belastung ist um einiges höher geworden. Wir haben viel mehr Trainingseinheiten, wir haben viel mehr Spiele. Die Regenerationszeiten werden immer kürzer."

Mediziner und Experten sehen einen klaren Zusammenhang zwischen der hohen Belastung und Verletzungen. Laut "Howdens Men's European football injury index 2023/24" sind die durchschnittlichen Verletzungen, die durchschnittlich eine Mannschaft in Europas Topligen pro Saison hinnehmen muss, zwischen der Spielzeit 2020/21 (31) und 2023/2024 (43) um 38,7 Prozent gestiegen. In der Bundesliga nahm die Zahl der Verletzungen sogar um 66 Prozent zu.

Nicht nur mehr Spiele: Auch die Spiele sind schneller geworden

Doch nicht nur die Zahl der Spiele führt zu Problemen, es sind auch die Rahmenbedingungen: "Das Spiel an sich ist schneller geworden, ist athletischer geworden – und dadurch gibt es mehr Belastung", sagt FCB-Campus Arzt Müller. Die Folge sind Verletzungen: "Die Oberschenkel- und Unterschenkelverletzungen. Dort sieht man das am meisten", so Müller. "Es wird aber auch darüber diskutiert, dass über die Ermüdung die ligamentären und Gelenks-Verletzungen auch mehr werden."

Reisestress und kaum Schlaf: In einer Saison zweimal um die Welt

Und dann sind da noch die Reisen. Der Südkoreaner Min-jae Kim (FC Bayern) sammelte Reisekilometer für zwei Weltumrundungen, Julian Alvarez (Argentinien/Manchester City) "umrundete" mehr als 2,5-mal den Globus - DFB-Spieler Joshua Kimmich, der fast alle seine Spiele in Europa austrägt, kommt auf "nur" 0,8 Weltumrundungen. Prof. Dr. Florian Pfab, ehemaliger Mannschaftsarzt des FC Bayern, warnt vor den Folgen: "Die Reisetätigkeit ist enorm: Spieler, die international spielen, in Südamerika beispielsweise, haben Über-Nacht-Flüge und spielen dann zwei Tage später wieder", so Pfab. "Diese Schlafthematik, diese Reisestress-Thematik in den Griff zu kriegen, ist sicherlich ein großes Thema." Er kommt zu dem Schluss: "Die Spielerbelastung ist wirklich am Anschlag".

Auf zur Klub-WM: Kaum Regeneration und eine halbe Weltumrundung

Für den FC Bayern waren die Konsequenzen sehr schmerzhaft spürbar. Ständig war jemand verletzt, im Durchschnitt verpassten die FC-Bayern-Spieler 23,4 Prozent der möglichen Einsätze. Fast alle dieser Ausfälle gingen auf Muskel-, Bänder- und Gelenkverletzungen zurück - also Verletzungen, die auch von Überbelastung kommen können. Nur 12 Prozent der Spielausfälle waren Krankheiten wie Pavlovics Pfeiffersches Drüsenfieber oder die Knochenbrüche von Hiroki Ito.

Nun geht für den FC Bayern das Abenteuer Klub-WM los. Die Nationalspieler hatten gerade einmal zwölf Tage Pause. Nun heißt es wieder Hochleistungssport, Turniermodus, kaum Regeneration, ein anderes Klima, eine andere Zeitzone - gut 20.000 Flugkilometer, eine halbe Weltreise. Ob es bei dem Turnier zu Muskelverletzungen kommen wird, ist nicht die Frage - nur, wen sie treffen wird.

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