Am Tag der Feuerwehr zeigt die Freiwillige Feuerwehr Hohenbrunn bei einer Übung einer interessierten Öffentlichkeit ihr Können.
Bildrechte: picture alliance / SZ Photo | Leonhard Simon

Der Bundestag hat Erleichterungen für ehrenamtliches Engagement beschlossen. Verbände sehen darin Chancen – und warnen zugleich.

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Ehrenamt in Bayern: Neue Regeln und hohe Erwartungen

Vier von zehn Bayern über 14 engagieren sich freiwillig – und doch kämpfen viele Vereine um Nachwuchs. Am heutigen Tag des Ehrenamts hat der Bundestag eine Reihe an Verbesserungen beschlossen. Verbände sehen darin Chancen – und warnen zugleich.

Über dieses Thema berichtet: BR24 Radio am .

Es ist ein vertrautes Bild in vielen Städten und Gemeinden in Bayern: Menschen, die nach Feierabend das Vereinsheim aufsperren und das Training vorbereiten. Ohne dieses Engagement würde vieles nicht funktionieren. Und genau hier setzt ein Gesetzespaket an, das der Bundestag am Tag des Ehrenamts beschlossen hat.

Mehr Sicherheit durch weniger Haftung

Im Kern geht es um mehr Sicherheit und mehr Geld. Die Übungsleiterpauschale steigt von 3.000 auf 3.300 Euro, die Ehrenamtspauschale von 840 auf 960 Euro.

Das Haftungsprivileg wird deutlich ausgeweitet: Im Ehrenamt soll man künftig bis zu 3.300 Euro im Jahr beziehen können, ohne persönlich für Schäden zu haften. Bislang reichten schon geringe Schäden – etwa wenn bei der Kassenführung ein Fehler passierte oder bei einer Veranstaltung etwas kaputt ging.

Eine Sprecherin des Bundesfinanzministeriums erklärte dazu auf BR-Anfrage, die "spürbaren Entlastungen" sollen den Vereinen helfen, Menschen für Leitungsaufgaben zu gewinnen. Zusätzlich sollen neue steuerliche Vereinfachungen kleinere, ehrenamtlich geführte Vereine etwa bei der Mittelverwendung entlasten.

Großes Engagement in Bayern

In Bayern sind die Erwartungen hoch. Der Freistaat zählt zu den Bundesländern, in denen Freiwilligkeit auch im übertragenen Sinn großgeschrieben wird. Fast 100.000 Vereine prägen das Miteinander im Freistaat, viele davon ehrenamtlich organisiert.

Besonders wichtig: die Freiwillige Feuerwehr. 318.000 Menschen halten den Feuerwehrdienst in Bayern Tag und Nacht am Laufen. Der Landesfeuerwehrverband begrüßt die steuerlichen Erleichterungen, warnt aber trotzdem vor strukturellen Engpässen. Berufliche Belastungen steigen, und Einsätze werden komplexer. Hoffnung machen die Jugendfeuerwehren, doch das Engagement führt nicht immer dazu, später auch Führungsverantwortung zu übernehmen.

Auch der Bayerische Jugendring berichtet, dass sich junge Menschen weiterhin engagieren wollen – aber in Strukturen, die zu ihrem Leben passen. Hohe Verbindlichkeit, komplexe Ämter und bürokratische Pflichten schrecken viele ab. Dazu komme etwa Zeitdruck in Schule, Ausbildung oder Studium. Die Erleichterungen würden junge Engagierte stärken, ihnen haftungsrechtliche Unsicherheiten nehmen und ein wichtiges Signal senden.

"Ehrenamtliches Engagement verdient Schutz, Wertschätzung und verlässliche Rahmenbedingungen." Philipp Seitz, BJR-Präsident

Bei der Caritas engagieren sich bayernweit rund 60.000 Menschen – in der Hospizbegleitung, im Besuchsdienst, an Tafeln oder bei der Unterstützung Geflüchteter. Die neuen Haftungsregeln könnten helfen, die Sorge vor Verantwortung zu reduzieren. Zugleich werde es schwieriger, Engagierte langfristig zu halten: Familienalltag, Beruf und Mobilität ließen weniger Raum für mehrjährige Verpflichtungen.

"Wir stellen fest, dass es zunehmend schwerer fällt, Menschen langfristig an ein Engagement zu binden." Tobias Utters, Caritas Bayern

Im Sport klingt es ähnlich. Die 11.500 Vereine unter dem Dach des BLSV bauen auf Zehntausende Trainerinnen, Betreuer und Vorstände. Viele Vereine finden weiterhin Menschen, die punktuell helfen – aber weniger, die ein Amt für mehrere Jahre übernehmen möchten. Höhere Pauschalen werden daher als Zeichen der Wertschätzung gewertet, auch wenn niemand glaubt, dass sich Ehrenamt damit "bezahlen" lässt.

"Sportvereine sind der Motor der Gesellschaft. Das Ehrenamt ist der Kraftstoff – ohne läuft nichts!" Christian Wanner, Bayerischer Landes-Sportverband

Die befragten Verbände berichten dem BR übereinstimmend, dass die Reform ein wichtiges Signal sei, um wieder mehr Menschen jeden Alters für das Ehrenamt zu gewinnen.

Städtetag fordert mehr Geld

Der Bayerische Städtetag betont, dass Feuerwehren längst Aufgaben übernähmen, die über die Brandbekämpfung hinausgingen, etwa bei der Verkehrssicherung. "Ohne ein stabiles Ehrenamt wäre vieles nicht machbar", mahnt Verbandssprecher Achim Sing im BR-Gespräch. Mit Blick auf den Bundestagsbeschluss erklärt Sing, rechtliche Veränderungen würden nicht reichen. Vereine bräuchten mehr Geld. Denn wenn die Kassen der Kommunen klamm seien, treffe es die sogenannten freiwilligen Leistungen immer als erste.

Auf jeden Einzelnen kommt es an

Eine weitere Herausforderung: Menschen engagieren sich weiterhin mit großer Motivation, aber immer häufiger projektbezogen, oft für eine begrenzte Zeit. Die steuerlichen Änderungen können zwar vieles erleichtern: Für ein längeres Engagement senken sie die Hürden und mindern die Haftungsrisiken. Bei allen strukturellen Fragen bleibt eines unverändert: Ehrenamt entsteht, weil Menschen bereit sind, Verantwortung zu übernehmen. Eine Reform kann Anreize setzen, am Ende kommt es aber auf jeden Einzelnen an.

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