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Im großen Stil eingeführt haben den Kauf auf Rechnung hierzulande Versandhändler wie Otto, Quelle und Neckermann. Die beiden Letztgenannten sind längst Geschichte, doch ihr Geschäftsmodell "Kauf jetzt, bezahl später" gibt es noch heute. Mittlerweile gibt es auch entsprechende Angebote von Zahlungsdienstleistern.
Geschäftsmodell der Zahlungsdienstleister
Firmen wie PayPal und Klarna verkaufen keine Produkte, sondern Dienstleistungen. Wenn ein Kunde irgendwo ein Produkt kauft, überweisen sie dem Händler den Rechnungsbetrag. Das Geld wird dann später beim Kunden automatisch abgezogen oder er überweist es an den Dienstleister, je nach Vereinbarung. Innerhalb einer vereinbarten Frist – in aller Regel zwischen 14 und 30 Tagen – ist das sogar zinsfrei.
Der Vorteil: Verbraucher können so unabhängig vom Händler immer dieselbe Zahlmethode nutzen – und zwar schnell, via App. Das Zahlverfahren ist mittlerweile so beliebt, dass es sogar eine eigene Abkürzung dafür gibt. "BNPL" steht für "buy now, pay later". Kunden könnten so Produkte erst einmal testen, bevor sie bezahlten, begründen Händler und Klarna diese Angebote. Doch das kann auch gefährlich sein.
Selbst bei der Finanzaufsicht mittlerweile ein Thema
BR24-User "martineclandestine" kommentierte dazu vor ein paar Wochen: "Die Möglichkeit, bei Klarna oder paypal einzukaufen, und die Bezahlung dann erst in 30 Tagen vorzunehmen, verleitet Käufer dazu, mehr und öfter online zu bestellen. 'Buy now, pay later', klingt so verführerisch und der Bezug zum Geld geht viel eher verloren, als beim analogen Einkauf und Hinblättern der Geldscheine auf die Kassentheke. Dass sich dann immer größere Schulden aufbauen, die man irgendwann nicht mehr überblickt, ist nachzuvollziehen."
Schuldnerberater und Verbraucherschützer warnen schon lange vor kreditfinanzierten Spontankäufen, die möglicherweise in die Schuldenfalle führen. Doch selbst bei der Finanzaufsicht Bafin stellt man fest (externer Link), dass es noch nie so einfach war wie heute, Waren zu bestellen und erst zum Teil lange nach Erhalt zu bezahlen. Mit nur wenigen Klicks könne man Teil- oder Ratenzahlungen, Stundungsvereinbarungen oder andere kreditbasierte Bezahlformen abschließen.
Doch diese Bezahlmodelle haben auch ihre Tücken, wie die Behörde auf ihrer Internetseite weiter ausführt. So seien nicht nur die angebotenen Konditionen oft vergleichsweise teuer. Niedrige Einzelraten und Fälligkeitsdaten, die in scheinbar ferner Zukunft liegen, könnten auch zu unbedachtem Handeln verleiten, wie es bei der Bafin heißt.
Verbraucherzentrale warnt vor den Risiken
Es sind laut der Verbraucherzentrale Bundesverband meist kleinere Summen, die auf diese Art und Weise bezahlt werden. Ihrer 2021 in Auftrag gegebenen Umfrage zufolge wurden 74 Prozent der Onlinekäufe unter 200 Euro nicht gleich bezahlt, sondern auf Rechnung, in Raten oder längerem Zahlungsaufschub. User "andi71" fragte: "Solche Zahlungsmethoden, aber auch der klassische Ratenkauf, spielen zwar bei fast allen Verschuldungen eine Rolle, aber sind das wirklich bei allen Betroffenen die größten Posten?"
Das hängt vom Einzelfall ab. Der Pressesprecher der Verbraucherzentrale Bundesverband, Johannes Müller, erklärt auf BR24-Anfrage, dass diese neuen Zahlungsarten sehr gefährlich seien, da eine Überschuldung drohe – und das aus einem einfachen Grund: Es ist so einfach. "Während man früher für einen Ratenkauf einen Kreditvertrag brauchte, womöglich mit entsprechenden Formularen und Bankterminen, geht es heute deutlich leichter mit ein paar Klicks und kleinen Summen", führt Müller aus.
Er erinnert sich an einen 18-Jährigen, der innerhalb weniger Monaten bei Klarna mit vielen kleinen Forderungen mit 2.000 Euro in der Kreide gestanden habe. Und das bei einem Taschengeld von 150 Euro. Durch Verzugsgebühren erhöhte sich die Summe auf 3.000 Euro. Der junge Mann sei dann zu einem Schuldnerberater und man habe sich auf einen Vergleich verständigt. Vielen Konsumenten sei gar nicht bewusst, dass man hier Kredite laufen habe, so der Verbraucherschützer.
Fördert "BNPL" Kaufsucht?
Mit dem Thema befasst sich auch die AOK (externer Link). Sie warnt, dass der Ratenkauf in eine Kaufsucht führen kann. Anders als in Geschäften werde online meistens allein und anonym geshoppt. Das mache es leichter, das Shoppen vor der Familie geheim zu halten. Viele fühlten sich dadurch weniger gehemmt, weil niemand sieht, ob sie etwas kaufen und vor allem, was sie kaufen. Das fördere ein übermäßiges und problematisches Einkaufsverhalten, heißt es bei der Krankenkasse.
BR24-Userin "martineclandestine" vertritt die Auffassung: "Ja, es kann auch ein Suchtverhalten dahinterstecken, dann sollte es mit einer Therapie behandelt werden. ADHS Betroffene können dieses Verhalten als Symptom aufweisen. Genauso, wie Handy,- Spielsucht, oder Bulimie."
Allerdings weist man bei der AOK auch daraufhin, dass man sich mit "krankhafter Kaufsucht" schon seit mehr als 100 Jahren in der psychiatrischen Fachliteratur beschäftigt, sie aber bis heute nicht als Krankheit anerkannt ist.
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