Im Jahr 2022 hatte Amazon die Gebühren für seinen Service Prime Video erhöht – zu Unrecht, wie Gerichte entschieden haben. Kunden, die ihr Geld zurückfordern wollen, können sich mittlerweile einer Musterklage der Verbraucherzentrale NRW anschließen. Solche Prozesse entlasten Gerichte und betroffene Verbraucher.
Abhilfeklagen brauchen möglichst unkomplizierte Sachverhalte. Dabei sollten alle, die sich der Klage anschließen wollen, ein identisches Problem haben, bei dem es dann auch eine einfache Lösung in Form eines einheitlichen Urteils geben kann. Das wäre dann ein Richterspruch, der keine Fragen mehr offenlässt.
Wie informiert man sich über Sammelklagen?
Der Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV) beispielsweise listet laufende Klagen auf seiner Internetseite auf. Dort erfahren Betroffene per Onlinefragebögen, ob eine Abhilfe- oder Musterfeststellungsklage auch für sie infrage kommt. Beim Fall Prime Video ist zum Beispiel eine Frage entscheidend: Haben Abonnenten der Preiserhöhung jemals zugestimmt?
Als Zustimmung gilt beispielsweise auch, wenn Kundinnen und Kunden ihre Zahlungsmethode seitdem geändert haben – etwa durch einen Kontowechsel. Wer das getan hat, kann im aktuellen Fall kein Geld zurückfordern.
Wer laut Fragebogen jedoch klageberechtigt ist, kann sich über ein Online-Formular in das entsprechende Klageregister beim Bundesjustizministerium eintragen. Der ganze Vorgang ist weitgehend automatisiert. Rückfragen laufen am besten an die Verbraucherzentrale, die mit den einzelnen Verfahren bestens vertraut ist.
Wie geht es weiter nach der Eintragung ins Klageregister?
Zielführend ist, wenn möglichst viele Betroffene auch mitmachen und von einer Sammelklage profitieren wollen. Wenn sich zu wenig Menschen melden und im Klageregister eintragen, kann der ganze Prozess allein daran schon scheitern.
Bis zum Ende der ersten mündlichen Verhandlungen in der ersten Instanz können sich Betroffene immer noch der Klage kostenlos anschließen.
In den meisten Fällen handelt es sich um eine Musterfeststellungsklage. Dabei geht es um ein zweistufiges Verfahren. Im ersten Schritt versucht zum Beispiel der VZBV als Verband, vor Gericht eine Grundsatzentscheidung herbeizuführen. Er bemängelt beispielsweise ein bestimmtes zweifelhaftes rechtliches "Muster", nachdem ein Unternehmen sich negativ verhalten hat. Schon ein Grundsatzurteil wie vom Bundesgerichtshof kann mehrere Jahre auf sich warten lassen.
Was passiert nach der Sammelklage?
Bei den bisherigen Verfahren mit Musterfeststellungsklagen (wie im Diesel-Abgas-Skandal von Autoherstellern) müssen Betroffene anschließend selbst noch einmal tätig werden, weil das erste Urteil nicht direkt für sie gilt, sondern nur die Rechtslage klärt.
Nach einem gewonnenen Musterfeststellungsprozess steht also häufig noch ein zweiter, individueller Prozess an: um die konkrete Schadenshöhe, zumindest wenn es nicht zu einer außergerichtlichen Einigung kommt. Der Schaden kann eben im Einzelfall sehr unterschiedlich hoch ausgefallen sein.
Für welche Verfahren Betroffene infrage kommen, darüber informieren Hotlines oder die Internetseiten der Verbraucherzentralen. Dort kann man kostenlos seinen Ärger schildern und nachfragen, was zu tun ist - und ob es sich lohnt, notfalls den kompletten Rechtsweg zu beschreiten.
Vorsicht bei Verjährungsfristen
Wer zum Beispiel Amazon Prime-Kunde ist und von einer möglichen Rückerstattung der Tariferhöhung von 2022 profitieren will, muss bis zum Jahresende 2025 seine Ansprüche anmelden. Dafür reicht eine formlose E-Mail an Amazon.
Denn der Rechtsstreit, den der VZBV mit Amazon Prime in dieser Sache führt, hat keine aufschiebende Wirkung für betroffene Verbraucher. Das heißt, die Forderung kann trotzdem verjähren, auch wenn an anderer Stelle in der gleichen Angelegenheit eine Sammelklage läuft.
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