Bis 2040 soll die Zahl von erdnahen Satelliten von heute 5.500 auf knapp 60.000 steigen – verursacht vor allem durch den Satelliten-Internetdienst Starlink oder Qianfan, die chinesische Konkurrenz. Solche Satelliten haben eine Lebensdauer von etwa fünf Jahren und verglühen meist vollständig in der Atmosphäre. Die mehr als Verzehnfachung von Satellitenschrott könnte schwerwiegende Folgen auf das Weltklima haben.
Satellitentrümmer bringen Metallpartikel in die Atmosphäre
Eine US-Forschergruppe des Umweltinstituts Cooperative Institute for Research in Environmental Sciences (CIRES) um den Chemiker Christopher Maloney hat sich anhand von Modellen angesehen, was passieren könnte, wenn in Zukunft täglich Satelliten verglühen (externer Link). Eine besondere Rolle spielt dabei das Aluminium, aus dem die Raumflugkörper zu etwa 40 Prozent bestehen. Es zersetzt sich in winzige Partikel und Gase.
Das Forschungsprojekt hat hochgerechnet, wie groß die Menge an Aluminiumwolken in der oberen und mittleren Atmosphäre sein wird. Das Ergebnis ist erschreckend: Jährlich sollen ab 2040 geschätzt 10.000 Tonnen Aluminiumoxid freigesetzt werden. Die Forschenden kommen auf diese Menge, weil sie von etwa 3.000 ausrangierten Satelliten pro Jahr ausgehen.
Atmosphäre könnte durch Aluminiumoxid erhitzen
Stratosphärisches Aluminium verbindet sich mit Sauerstoff zu Aluminiumoxid. Die Metallaerosole und andere Partikel würden wahrscheinlich mehrere Jahre in der Stratosphäre zirkulieren, so das US-Forscherteam. Zu viel Aluminiumoxid könnte dann laut den Modellrechnungen dazu führen, dass sich die mittlere Atmosphäre an den Erdpolen um 1,5 Grad erhitzt. "Was wir in dieser Studie zeigen, ist, dass selbst aus grober Sicht das Potenzial besteht, dass diese Rückstandsaerosole Prozesse in der Stratosphäre und Mesosphäre beeinflussen – sei es durch Erwärmung oder durch Veränderungen in der Luftzirkulation", so Christopher Maloney.
Die Infrarot-Strahlung der Erde wird, so die Theorie, durch die winzigen Metallpartikel stärker absorbiert. Das führt zu mehr Erderwärmung. Zudem könnte es durch die Erhitzung zur Verringerung der Windgeschwindigkeiten in der südlichen Hemisphäre kommen.
Auch Professor Stefanos Fasoulas vom Stuttgarter Institut für Raumfahrtsysteme fürchtet Auswirkungen auf das Klima. Doch er hält auch einen gegenteiligen Effekt für möglich: eine Abkühlung. Denn die winzigen Metallpartikel reduzieren auch die Sonneneinstrahlung (externer Link). Ob die Gefahr der Erwärmung tatsächlich überwiege, müssten noch weitere Studien zeigen.
Langfristige Gefahr für die Ozonschicht
Ein zweiter Effekt des verglühenden Weltraumschrottes, den die US-Studie nennt, ist eine Gefährdung der Ozonschicht. Aluminiumoxid ist ein bekannter "Ozonkiller". Besonders heikel: Die Partikel gelangen offenbar erst mit einer Verzögerung von bis zu 30 Jahren in die Ozonschicht. Die winzigen Satellitenpartikel greifen die Schutzschicht (externer Link) an. Bei diesem Punkt ist sich die Wissenschaft einig. Mehrere Forschergruppen aus Deutschland und den USA meldeten ähnliche Studienergebnisse.
Satelliten-Recycling statt Weltraummüll
Welche Lösungen gäbe es für das Problem? Momentan ist das Ziel von ESA und NASA, dass die ausgedienten Satelliten nach Ende ihrer Lebenszeit möglichst vollständig in der Atmosphäre verglühen, um Weltraumschrott zu reduzieren.
Am Stuttgarter Institut für Raumfahrtsysteme wird jetzt ein neuer Weg erforscht, wie Raumflugkörper gebaut werden könnten, die nicht verglühen, sondern sozusagen am Stück wieder zur Erde zurückkommen. Um dann beispielsweise recycelt zu werden. Dabei muss insbesondere die Frage geklärt werden, wie der ausrangierte Satellit sicher und kontrolliert "nach Hause" kommt. Auf jeden Fall sollten alle Akteure, die Satelliten ins All schießen, dazu verpflichtet werden, ihren Weltraummüll umwelt- und atmosphärenfreundlich zu entsorgen (externer Link), findet Stefanos Fasoulas.
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