Industrieanlagen leiten Trifluoressigsäure in Gewässer ab.
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Industrieanlagen leiten Trifluoressigsäure in Gewässer ab.

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TFA in Bayern: Wie gefährlich ist die Ewigkeits-Chemikalie?

Einmal in der Umwelt, baut sich die Chemikalie Trifluoracetat nie wieder ab. Quasi überall, selbst in der Arktis, wird sie nachgewiesen – auch in Bayerns Gewässern. Lange hat man sie für wenig bedenklich gehalten. Ein Fehler, wie neue Daten zeigen.

Über dieses Thema berichtet: Aus Landwirtschaft und Umwelt am .

Gerade sorgt eine Aktion des bayerischen Umweltpolitikers Karl Bär von den Grünen für Aufsehen. Er habe "Brisantes" im bayerischen Trinkwasser entdeckt, so titeln lokale Medien: die Ewigkeitschemikalie Trifluoressigsäure.

Überraschend ist das zunächst nicht. Schon vor neun Jahren haben Forschende im Neckar bei Wad Wimpfen in Baden-Württemberg höhere Konzentrationen von Trifluoressigsäure, kurz TFA, entdeckt. Zwar war sie seit den späten 1990er Jahren in einigen deutschen Gewässern nachgewiesen worden. Was man über sie wusste: sie gehört zu den sogenannten Ewigkeitschemikalien. Einmal in der Atmosphäre, baut sie sich nie wieder ab. Der Stoff gilt als kaum erforscht. Deshalb bleibt lange unklar, wie und ob der Stoff schädlich ist.

Woher kommt TFA?

Trifluoressigsäure ist eine chemische Verbindung, die in fluorierten Kältegasen enthalten ist. Kühlschränke und Klimaanlagen lassen TFA so in die Atmosphäre entweichen. Hauptsächlich kommt TFA aber als Abbauprodukt unterschiedlicher Stoffe vor, vor allem Pflanzenschutzmitteln.

Auch Industrieanlagen leiten TFA in Gewässer ab. Der Stoff ist persistent, das heißt er baut sich nicht ab und: die chemische Verbindung ist sehr klein und das macht den Stoff sehr mobil. So löst er sich gut in Wasser und kann sich darüber schnell weiterverbreiten.

Wo in Bayern ist TFA nachgewiesen?

Laut Landesamt für Umwelt kommt TFA inzwischen in fast allen Grundwasserkörpern vor und ebenso im Regenwasser in allen Landesteilen bis hin zum Trinkwasser. Herausfiltern lässt sich TFA aufgrund seiner Beschaffenheit kaum. Daher werden die Konzentrationen ständig kontrolliert. Anders als für Gewässer gilt für Trinkwasser bereits ein Grenzwert von 60 µg/L – allerdings sollte die Belastung nicht über 10 µg/L liegen. Laut Daten des Landesamtes für Umwelt liegt der Medianwert für TFA an den mehr als 1000 Messstellen in Bayern bei 1,3 µg/L, also weit unter dem kritischen Wert. Er ist vergleichbar mit den Werten, die Grünen-Politiker Karl Bär in seinen Trinkwasserproben gemessen hat.

Das Landesamt für Umwelt teilt jedoch mit, dass man auch Höchstkonzentrationen von 18 µg/L registriere – Tendenz steigend.

Wie gefährlich ist TFA wirklich?

In den Konzentrationen, in denen TFA bislang in Gewässern oder auf Pflanzen vorkommt, ist der Stoff für den Menschen nach aktuellen Erkenntnissen ungefährlich. Fragt man das Wasserwirtschaftsamt München, so sind tatsächlich keine Probleme mit TFA bekannt.

Die Deutsche Umwelthilfe sieht das anders. Christine Lützkendorf, Referentin für fluorierte Treibhausgase, betont, man rede hier von einer extrem stabilen und langlebigen Chemikalie, deren Gefahr unterschätzt werde. "Man kann festhalten, Wasserversorger und wir alle müssen uns mit der Problematik stärker auseinandersetzen", so Lützkendorf.

Einige Forscher bezeichnen TFA als „tickende Zeitbombe“, weil sich die Konzentrationen mit zunehmender Zeit unwiderruflich erhöhen. Dazu kommt: offenbar ist Trifluoressigsäure giftiger als bisher angenommen. Das zeigen neue Studien. Hier wurden Mäuse einer vielfachen Dosis von TFA als üblich ausgesetzt. Das Ergebnis:

TFA kann ungeborenes Leben im Mutterleib schädigen. Das Bundesinstitut für Risokobewertung (BfR) stuft den Stoff deshalb jetzt als fortpflanzungsgefährdend ein.

Hat die Forschung die Gefahr von TFA unterschätzt?

Lars Tietjen vom Umweltbundesamt räumt ein: es habe Unsicherheiten bei der toxikologischen Bewertung von TFA gegeben. "Die Toxizität war in diesem Maße nicht bekannt", so Tietjen. Aus diesem Grund seien weitere Studien beauftragt worden, die die Besorgnis letztlich bestätigten.

Die Einstufung als fortpflanzungsgefährdend sagt noch nichts darüber aus, wie giftig TFA ist. Aber die Einordnung ist überhaupt erst die Grundlage dafür, schärfere Grenzwerte festlegen zu können.

Was wird gegen TFA unternommen?

Auf Basis der neuen Erkenntnisse über TFA hat das Bundesinstitut für Risikobewertung die Gefahrenklasse für TFA erhöht. Seit einem Jahr gilt der Stoff als fortpflanzungsgefährdend. Die offizielle Gefahrenklasse heißt "reproduktionstoxisch".

Aufgrund dieser Einstufung hat Deutschland mit anderen EU-Staaten bei der Europäischen Union angeregt, die Einstufung für ganz Europa geltend zu machen. Erstmals könnte es dann einen Grenzwert für TFA, nicht nur im Trink, sondern auch in Gewässern geben. Gerade liegt der Vorschlag bei der Chemikalienagentur der EU und könnte in rund zwei Jahren von der EU-Kommission beschlossen werden.

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