Im Dezember machen viele Menschen einen großen Fehler: Sie glauben, dass sie im letzten Monat des Jahres nochmal alles nachholen müssen, wofür zuvor keine Zeit war. Stress sei so vorprogrammiert, sagt Psychotherapeutin Franca Cerutti. "Für viele gerät der Dezember zu einem Großprojekt mit Deadlines", erklärt Cerutti. Studien würden zeigen, dass die Lebenszufriedenheit bei vielen Menschen gerade im Dezember sinkt. Wichtig sei hier, keinen zu großen Erwartungsdruck aufzubauen.
Einsamkeit als Problem an Weihnachten
Zudem würden sich besonders in der Weihnachtszeit viele Menschen einsam fühlen. Der Grund: "Überall wird suggeriert, dass alle anderen die schönste Familienzeit ihres Lebens haben – und dann trifft einen die Einsamkeit umso härter", so Cerutti.
Aktuelle Umfragen gehen davon aus, dass mehr als 12 Millionen Menschen in Deutschland sich regelmäßig einsam fühlen. Franca Cerutti, die seit einigen Jahren auch den Podcast "Psychologie to go!" betreibt, erklärt, dass man Einsamkeit dabei zunächst vom Alleinsein unterscheiden müsse: "Alleinsein ist etwas, was man durchaus genießen kann oder als Zustand so aufsucht. Einsamkeit ist immer ein ungutes Gefühl. Man kann sich sogar in Gegenwart anderer Menschen einsam fühlen, wenn da die Verbindung fehlt."
Psychotherapeutin fordert Entstigmatisierung von Einsamkeit
Die Psychologin wirbt für eine Entstigmatisierung der Einsamkeit: Viele Menschen würden das Problem aus Angst vor Abwertung nämlich verheimlichen. Dabei zeige die Praxiserfahrung, dass man bei Einsamkeit selbst aktiv werden muss. "Ich vergleiche Einsamkeit ganz gerne mit Hunger", sagt Cerutti. Wie Hunger sei auch die Einsamkeit eine Aufforderung an uns, Nahrung zu suchen. Es komme darauf an, sich um gute Kontakte und Verbindungen zu kümmern, die einem aus dem Gefühl der Isolation heraushelfen.
Warum Familien an Weihnachten streiten
Ein weiteres Problem, was in der Weihnachtszeit zu psychischen Belastungen führe, ist laut Franca Cerutti der familiäre Konflikt. Denn erstens herrsche hier eine viel zu große Erwartungshaltung. Jetzt muss es plötzlich harmonisch zugehen, obwohl es das ganze Jahr über anders lief. "Diese Überfrachtung und die Erwartung, die da im Raum hängt, sind häufig unrealistisch und viel zu hoch", sagt die Psychologin, die für die ARD kürzlich die Doku-Serie "Familientherapie mit Franca Cerutti" gedreht hat.
"Einfach überfordert – Was gibt uns Halt?" Darüber diskutieren in der Münchner Runde am Mittwochabend um 20:15 Uhr Kardinal Reinhard Marx, Erzbischof von München und Freising, der CSU-Politiker Manfred Weber, Partei- und Fraktionsvorsitzender der EVP, Katrin Göring-Eckardt, Bundestagsabgeordnete Bündnis 90/Die Grünen, sowie die Schauspielerin Jutta Speidel. Live im BR Fernsehen und bei BR24.
Zweitens würden politische Konflikte zwischen Familienmitgliedern besonders an den Feiertagen hervortreten. "Das kann sich entzünden am Lebensstil, an modischen Fragen oder politischen Einstellungen", sagt die Therapeutin. Dahinter würden sich jedoch Grundsatzfragen verbergen: "Respektierst du mich? Darf ich an deiner Seite sein und mich anders entwickeln, als du es vielleicht gerne gehabt hättest?"
Familiäre Konflikte: Adressieren oder Ausweichen?
Psychologin Cerutti rät: Die großen Fässer an Weihnachten lieber zulassen! Und: Nicht zu viel Alkohol trinken. Der würde nämlich dazu führen, dass man Situationen nicht mehr rational einschätzen kann. "Viele denken, dass sie die anstrengenden Weihnachtstage besser überstehen, wenn sie das mit Alkohol abpuffern. Das Gegenteil ist der Fall", sagt Cerutti. Denn Weihnachten sei eben doch nicht die Zeit, gesellschaftliche Spaltung zu überwinden. Klärende Gespräche innerhalb der Familien seien dringend nötig, nach Ansicht der Psychotherapeutin sind die Feiertage dafür jedoch nicht geeignet.
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