Eine exklusive Umfrage von BR Recherche und BR Data unter 1.500 weiterführenden bayerischen Schulleitungen zeigt: 66 Prozent der knapp 600 teilnehmenden Schulen verzeichneten im vergangenen Schuljahr demokratie- oder menschenfeindliche Vorfälle. Dazu zählen rassistische, antisemitische, sexistische oder queerfeindliche Beleidigungen, Gewalt oder politische Einflussnahme.
Es ist das erste Mal, dass solche Zahlen in Bayern öffentlich werden. Das bayerische Kultusministerium erhebt keine Daten zu entsprechenden Vorfällen.
- Zum Artikel: Hakenkreuze, Parolen, Hitlergruß - Schulen im Visier
Grüne und SPD "ganz dringend" für Meldepflicht
Grünen-Fraktionschefin Katharina Schulze spricht von einer "Blackbox". Es sei "krass", so Schulze wörtlich, "dass es eine externe Umfrage braucht, um die Geschehnisse ans Licht zu bringen".
Die SPD-Landtagsabgeordnete Nicole Bäumler, Mitglied des Bildungsausschusses und selbst Lehrerin, hält eine Meldepflicht für notwendig, um Entwicklungen frühzeitig zu erkennen. Sie betont, man brauche diese Zahlen "ganz dringend", um angemessen reagieren zu können.
Prien offen für Meldepflicht
Bundesbildungsministerin Karin Prien (CDU) sagt dem BR-Politikmagazin kontrovers: "Es ist immer hilfreich, wenn alle Länder Daten nach vergleichbaren Kriterien erheben, damit man überhaupt sagen kann, wie die Entwicklung in den einzelnen Bundesländern ist." Bundesländer wie Sachsen oder Schleswig-Holstein haben bereits eine Meldepflicht.
Bayerns Bildungsministerin, Anna Stolz (Freie Wähler), lehnt ein Interview ab.
CSU-Fraktionschef: "Was extremistisch ist, ist besorgniserregend"
Der Fraktionsvorsitzende der CSU im Bayerischen Landtag, Klaus Holetschek, sagt: "Alles, was extremistisch ist, ist besorgniserregend". Zugleich betont er die Bedeutung politischer Bildung. Sie sei gerade in Zeiten, in denen die Demokratie unter Druck stehe, zentral. Das gelte, so Holetschek, "nicht nur für rechts, sondern auch für links".
In der BR-Umfrage ordnen 74 Prozent der Schulleitungen von betroffenen Schulen die Vorfälle dem rechten Spektrum zu, drei Prozent verorten sie links. An etwas mehr als jeder zehnten Schule hatten Vorfälle überwiegend einen religiösen Hintergrund. Für ein Drittel der Schulleitungen ist eine klare Zuordnung nicht möglich.
Streibl: Konkrete Taten folgen lassen
Florian Streibl, Fraktionschef der Freien Wähler, warnt vor zusätzlicher Bürokratie durch eine Meldepflicht: "Allein durch Dokumentationen und Tabellen ausfüllen, hat man in der Gesellschaft noch überhaupt nichts bewegt."
Stattdessen müsse man an den Schulen konkrete Taten folgen lassen. Als Beispiel nennt Streibl die sogenannte Verfassungsviertelstunde, bei der Schülerinnen und Schüler wöchentlich 15 Minuten über demokratische Grundprinzipien diskutieren.
Die AfD-Fraktion im Bayerischen Landtag wollte sich auf Anfrage nicht zu dem Thema äußern.
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