Für Markus Söder sind Besuche beim CSU-Nachwuchs ein Stimmungstest. 2017 bekommt er im Machtkampf mit Horst Seehofer viel Rückenwind von der JU Bayern: Auf Dutzenden Schildern wird der damalige Finanzminister schon vorab zum Ministerpräsidenten und zur "neuen Nummer eins" erklärt. Vier Jahre darauf, nach der CSU-Bundestagswahl-Schlappe 2021, dann Gegenwind: Erst muss er sich mit verhaltenem Applaus begnügen, dann werden die Worte "unser starkes Zugpferd Markus Söder" aus einer JU-Erklärung gestrichen.
Und nun, Anfang Oktober 2025, JU-Landesversammlung: Widerstand gegen Söders Prestigeprojekt Mütterrente – und wieder Kritik an der Ausrichtung der CSU auf Söder: "Wir haben zu wenig Köpfe", sagt ein Delegierter. Der CSU drohten ein "Christian-Lindner-Syndrom" und ein Vakuum, wenn sie sich zu sehr auf einen Kopf konzentriere.
Ex-Parteichef Huber: Söder allein reicht nicht
Die CSU hatte mehrere dominante Vorsitzende. Söder aber hat sie besonders stark auf sich ausgerichtet, viele Schlüsselpositionen in der Partei und im Kabinett mit Vertrauten besetzt. Der Vorwurf einer "One-Man-Show", den er einst indirekt gegen Seehofer gerichtet hatte, begleitet Söder seit Jahren. In der CSU flammte die Debatte bisher dann auf, wenn Wahlergebnisse hinter Erwartungen zurückblieben: nach der Bundestagswahl 2021, nach der Landtagswahl 2023, als Parteivize Manfred Weber "mehr personeller Breite" und "programmatische Tiefe" forderte.
So gesehen, kam die Junge-Union-Kritik nun quasi aus heiterem Himmel. Kurz darauf schloss sich ein CSU-Altvorderer an: "Markus Söder ist ein sehr talentierter Politiker, auch sehr routiniert und sehr medienorientiert – aber einer allein schafft das nicht", sagte Ex-CSU-Chef Erwin Huber. Eine Volkspartei brauche mehrere exponierte Persönlichkeiten, die für Soziales, Außenpolitik, Umwelt stehen. "Nur eine breitgefächerte, starke Mannschaft, das ist beim Fußball auch so, kann gewinnen."
Immer stärkere Personalisierung
Laut der Münchner Politikwissenschaftlerin Jasmin Riedl ist generell eine zunehmende Personalisierung der Politik zu beobachten. Insofern sei es für die CSU bis zu einem gewissen Grad nicht unklug, auf einzelne Personen zu fokussieren. Parteien benötigten gewissermaßen als "Gesicht" eine starke Persönlichkeit. Das berge aber das Risiko, dass sich andere nicht profilieren können. Wenn eine Volkspartei viele Bevölkerungsgruppen ansprechen wolle, brauche sie "unterschiedliche Köpfe, die für diese unterschiedlichen Anteile sprechen können".
Ein führender CSUler beklagt hinter vorgehaltener Hand Söders Dominanz auch bei der inhaltlichen Positionierung: In der Parteispitze werde nicht diskutiert. Dabei gebe es an der Basis Gegrummel und Unzufriedenheit. Ein Vorstandsmitglied widerspricht: Jeder könne seine Meinung sagen. Und mehr Unzufriedenheit als früher gebe es nicht.
CSU-Nachwuchspolitiker: Teile der Basis besorgt
Bei der JU-Landesversammlung Anfang Oktober gab es für die "Zu wenig Köpfe"-Kritik viel Applaus im Saal und auch Jubel – in Söders Anwesenheit. Die Wortmeldung stammte von Max-Emanuel Montgelas, dem stellvertretenden Bezirksvorsitzenden der JU Niederbayern und CSU-Ortsvorsitzenden in Gerzen-Lichtenhaag.
Im BR-Interview bekräftigt er die Kritik, dass sich die CSU auf eine Galionsfigur konzentriere: "Auch wenn unser Parteivorsitzender durchaus ein Talent hat, Trends zu erkennen, und sehr populär ist und Social Media wirklich bestens für sich nutzen kann, macht es aber so eine Partei wie die CSU wahrscheinlich doch auch angreifbar." Teile der CSU-Basis seien besorgt.
Söder: "Reiße mir den Arsch auf"
Söder reagierte noch auf der JU-Versammlung: "Ich bin mit dem Team der CSU super zufrieden." Entscheidend sei aber die Wahrnehmbarkeit nach außen: Es sei immer eine Teamleistung, aber "ohne starke Führungsspieler kann auch kein Team erfolgreich sein", sagte der Parteichef und verwies auf seine eigenen Akzeptanzwerte. Er tue alles für den Erfolg der CSU, "reiße mir auf Deutsch gesagt den Arsch auf".
Ähnlich äußert sich auf BR-Anfrage CSU-Generalsekretär Martin Huber: Die CSU sei ein großes Team mit vielen starken Persönlichkeiten und damit Taktgeber auf allen politischen Ebenen. "Das ist ein großes Verdienst insbesondere von Markus Söder, der im unermüdlichen Einsatz ist." JU-Landeschef Manuel Knoll betont, er nehme die Stimmung in seinem Verband mit Blick auf Söder als "insgesamt schon positiv" wahr. Zwar führe die JU kritische Debatten. "Da geht es aber dann immer um die Sachfragen und nicht rund um die Person."
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