Wenige Stadträte in Bayern tagen unter solch historischem Glanz wie der Neuburger Stadtrat: In der oberbayerischen Renaissance-Stadt beeindruckt der "Große Saal" im Rathaus mit reich verzierter Holzdecke. Seit 400 Jahren tagt hier der Rat der Stadt. Doch bald könnte der Saal zu klein werden. Bestätigt das Landesamt für Statistik im Juli, dass Neuburg mehr als 30.000 Einwohner hat, macht die Zahl der Stadträte einen Sprung – von 30 auf dann 40. Zu viele, um die Vertreter der Bürger im altehrwürdigen Saal noch unterzubringen.
Oberbürgermeister Bernhard Gmehling hat noch kein adäquates und bezahlbares Ausweichquartier gefunden. Der Kolpingssaal, der den Stadtrat schon zu Covid-Zeiten aufgenommen hat, "ist nicht behindertengerecht und unpersönlich". Im Speicher des Rathauses gäbe es Platz, auch der Lift fährt schon hoch bis unters Dach, doch es fehlt an Fenstern und technischer Ausstattung. Die Umbaukosten würden in die Millionen gehen.
Raumsuche: bislang "maximal Übergangslösung"
Der nahe Kongregationssaal ist eigentlich für kulturelle Veranstaltungen blockiert. Ihn für jede Sitzung umzurüsten, wäre ein enormer Aufwand für die Verwaltung und ein Verlust für die Kultur. Jeder dieser Räume sei "maximal eine Übergangslösung", sagen die beiden aussichtsreichsten OB-Kandidaten, Matthias Enghuber (CSU) und Gerhard Schoder, der für Grüne und SPD antritt.
Je größer die Stadt – desto weniger Vertreter pro Einwohner
Die Wurzel dieser Misere findet sich in der Bayerischen Gemeindeordnung. Sie legt fest, wie viele Gemeinderatsmitglieder eine Kommune haben muss: Von 30.000 bis 50.000 Einwohner sind das 40 Stadträte, zehn Stadträte mehr als Neuburg bisher hat. OB Gmehling kann nicht nachvollziehen, warum die Zahl der Stadträte so sprunghaft ansteigen muss. Der Jurist stößt sich daran, dass nach dieser Regelung die Bürger – je nach Einwohnerzahl ihrer Kommune – höchstunterschiedlich vertreten werden.
"Die Größenverhältnisse stimmen einfach nicht. Das wird deutlich, wenn man die Prokopfvertretung in Neuburg, Ingolstadt und München vergleicht." Demnach kommen in Neuburg bei über 30.000 Einwohnern und 40 Stadträten ein Stadtrat auf 750 Bürger. In Ingolstadt mit seinen rund 140.000 Einwohnern und 50 Stadträten vertritt ein Stadtrat rund 2.800 Menschen. In der 1,5-Millionen-Stadt München gibt es 80 Stadträte. Dort kommen auf jeden Stadtrat etwa 18.750 Bürger.
Bayerischer Städtetag: "Seit Jahrzehnten bewährt"
Beim Bayerischen Städtetag zeigt man Verständnis für die Raumnöte in Neuburg, betont aber auch, dass "aktuell keine weiteren Problemanzeigen vorliegen, weshalb eine Veränderung der Gemeindeordnung derzeit bei uns kein Thema ist". Die Staffelung der Stadtratssitze nach Größenklassen begegne "zumindest keinen rechtlichen Bedenken" und habe sich "seit Jahrzehnten bewährt“. Auch beim Gemeindetag gibt es aktuell keine Initiative für eine Änderung.
Vielleicht auch Friedberg und Schwandorf betroffen
Der Sprung von 30 auf 40 Stadträte könnte auch das schwäbische Friedberg und Schwandorf in der Oberpfalz treffen. Das Landesamt für Statistik meldete zum 31. Dezember 2024 für Schwandorf 29.877 Einwohner und für Friedberg 29.953. Ausschlaggebend für die Kommunalwahlen ist die jeweilige Einwohnerzahl, die das Landesamt für Statistik im Juli veröffentlicht.
Auch in Friedberg wäre der historische Sitzungssaal im Rathaus zu klein für 40 Stadträte. Die Sitzungen könnten aber stattdessen im Wittelsbacher Schloss stattfinden. Einziges Manko: Der Veranstaltungsraum müsste jedes Mal umgebaut werden. Die Kosten wären laut Stadt aber im Rahmen. In Schwandorf lotet man ebenfalls schon intern infrage kommende Räumlichkeiten aus.
25.000 Euro mehr für die Stadträte
Für jede der Kommunen würden sich die Ausgaben für die Stadträte erhöhen. Neuburg rechnet mit "verkraftbaren" jährlichen Mehrkosten von rund 25.000 Euro – für Monatspauschalen und Sitzungsgelder im Plenum und in den Ausschüssen.
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