Es ist noch stockdunkel um 6.40 Uhr am Bahnhof Oy-Mittelberg. Der Lautsprecher knistert, dann kommt die Ansage: "Information zur RB 73 nach Kempten, Abfahrt 6.42 Uhr, heute circa fünf Minuten später." Die Regionalbahn, die die 180 Schulkinder aus der Gemeinde Oy-Mittelberg im Landkreis Oberallgäu nach Kempten bringen soll, hat Verspätung. Wieder einmal. Emilia und ihre Freundinnen haben dafür nur ein müdes Lächeln übrig: "Mittlerweile ist es so, dass alle genervt reagieren, weil jetzt im Winter ist es halt auch kalt", sagt die Achtklässlerin Emilia.
Langer, eng getakteter Schulweg
Wer in Oy wohnt und auf eine weiterführende Schule gehen will, hat einen langen Schulweg: Viele Kinder müssen erst Bus, dann Zug und dann wieder Bus fahren. Wenn wie in den letzten Monaten der Zug aus dem Takt gerät, heißt das für die Kinder Stress.
Für die Beförderung der Schulkinder ist in dem Fall das Landratsamt Oberallgäu zuständig. Die Verspätungen und Zugausfälle auf der Strecke, die zur Außerfernbahn gehört, wundern Landrätin Indra Baier-Müller (Freie Wähler): "Wir dachten eigentlich, die Probleme wären beseitigt nach umfangreichen Baumaßnahmen in den vergangenen Jahren". Auf die meist kurzfristigen Zugausfälle oder Verspätungen zu reagieren, sei allerdings kaum möglich: "Da haben wir schlichtweg keine Handhabe", so Baier-Müller.
Verspätete Bahn: Herausforderung für die ganze Familie
Mit 14 Minuten Verspätung fährt der Zug diesmal ab. Die Oyer Kinder wissen jetzt schon: Den geplanten Anschlussbus in Kempten werden sie nicht erwischen. "Das geht einfach nicht!", schimpft Melanie Rietzler. Sie ist Mama von drei Buben. Täglich kämpft sie mit dem Schulweg-Stress: "Das ist für uns organisatorisch wie emotional eine Herausforderung. Jeden Morgen der erste Blick: Fährt der Zug heute pünktlich oder nicht?" Steht eine Schulaufgabe an, bringen die Eltern ihre Kinder sicherheitshalber mit dem Auto nach Kempten. Einfache Strecke: 20 Kilometer.
Zusammen mit Sandra Hille hat Melanie Rietzler eine Elterninitiative gegründet. Sie wollen erreichen, dass der Zug endlich wieder pünktlich fährt. Und dass sie als Eltern rechtzeitig über Ausfälle und Verspätungen informiert werden.
Bahn plant Modernisierungen auf der Außerfern-Strecke
Am Rande der Bahnkonferenz in Kaufbeuren erklärte Phillipp Nagl, Infrastrukturchef der Bahn, dass es auf der Außerfernbahn unter anderem Probleme mit dem Gleisuntergrund gibt, außerdem zwei Langsamfahrstellen. "Diese sollen Anfang kommenden Jahres behoben werden", so Nagl. Zudem seien langfristig weitere Modernisierungs- und Stabilisierungsmaßnahmen geplant. "Das Geld und die Kapazitäten dafür haben wir jetzt", so Nagl.
Probleme mit der Pünktlichkeit auch im Landkreis Donau-Ries
Auch zwischen Neuburg und Donauwörth habe es in den vergangenen Monaten große Probleme mit der Pünktlichkeit von Zügen auf dem Schulweg gegeben, sagt die Schulbus-Beauftragte im Landratsamt Donau-Ries, Christina Kargl. Vor allem Kinder, die mehrere Verkehrsmittel nutzen müssen, waren wohl betroffen: "Wenn der Zug ausfällt oder zu spät kommt, dann ist der Anschlussbus leider schon weg, was dazu führt, dass die Eltern die Kinder abholen müssen." Im Moment gebe es zwar keinen Schienenersatzverkehr mehr, es stünden aber noch weitere Bauarbeiten an, die wieder zu Problemen führen könnten, so Kargl.
Kommen die Kinder diesmal pünktlich in die Schule?
Emilia und ihre Freundinnen haben es diesmal in einen Bus zur Schule geschafft. Trotzdem ist für die Fünftklässlerin Jana jetzt schon klar: Pünktlich zum Schulbeginn schafft sie es nicht zur Maria-Ward-Realschule. Dort beginnt der Unterricht um 7.40 Uhr. Die anderen drei Mädchen haben noch eine Chance: Sie gehen aufs Hildegardis-Gymnasium. Drei Minuten vor Schulbeginn um 7.45 Uhr steigen sie aus dem Bus aus.
Schulleiter fordert zuverlässige Lösung
Für Markus Wenninger, Leiter des Hildegardis-Gymnasiums, ein untragbarer Zustand: "Es gibt Schüler und Schülerinnen aus Oy, die kommen im Monat zehn bis 15 Tage zu spät. Das ist ein Start in den Tag mit Stress, den man niemandem wünscht." Wenninger fordert eine zuverlässige Lösung: "Wenn es die Bahnstrecke nicht hergibt, dann muss ein Schienenersatzverkehr her." Regelmäßig Busse neben der Schiene zu organisieren, ist vom Landratsamt allerdings nicht geplant: Es gebe ja die Verträge mit der Bahn.
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