Alarmruf ein halbes Jahr vor den Kommunalwahlen in Bayern: Es mangele an Bewerbern für Gemeinde- und Stadträte, die Menschen hätten "schlicht keinen Bock mehr, den Mangel zu verwalten", sagte Gemeindetags-Präsident Uwe Brandl im September. Vor allem Frauen fehlten: Deren Bereitschaft sei "noch mal geringer als bei den vergangenen Wahlen".
Genau da setzt Andreas Birzele im Landtag an: Die bayerischen Gemeinderäte bestünden nur zu 24 Prozent aus Frauen, nur jeder zehnte Bürgermeister und Landrat sei weiblich, sagt der Grünen-Abgeordnete. Seine Fraktion hat einen Gesetzentwurf vorgelegt, der Kommunalpolitik insgesamt und besonders für Frauen attraktiver machen soll. "Mehr Beteiligung, mehr Mitsprache, mehr Miteinander!", fordert Birzele. Was heißt das genau? Und was sagen die anderen?
Idee 1: Vertretung durch "Ersatzmitglieder"
Erster Vorschlag der Grünen: Wer in einem Gemeinderat sitzt, soll sich vertreten lassen können. Zum Beispiel bei längerer Krankheit, Kinderbetreuung oder einem Auslandsaufenthalt. Für drei bis zwölf Monate soll ein "Ersatzmitglied" übernehmen. "Das wäre gelebte Gleichstellung", wirbt Birzele.
Die anderen Fraktionen halten eine solche Vertretungsmöglichkeit für unnötig (CSU, SPD) oder falsch. Ein kommunales Amt dürfe "nicht der Beliebigkeit" preisgegeben werden, sagt Thorsten Freudenberger (CSU). Laut dem AfD-Abgeordneten Jörg Baumann muss "weiter gelten, gewählt ist gewählt". Felix Locke (Freie Wähler) weist darauf hin, dass man als ehrenamtlicher Gemeinderat "auch vereidigt wird". Die Grünen übersähen, dass eine Kommunalwahl keine Parteien-, sondern eine Personenwahl sei.
Idee 2: Anspruch auf Freistellung vom Job
Braucht ein Gemeinderat Zeit für sein Ehrenamt, soll ihn der Arbeitgeber laut den Grünen freistellen. Eine zeitliche Begrenzung steht nicht im Gesetzentwurf. "Richtig und wichtig", findet das Christiane Feichtmeier (SPD).
CSU, AfD und FW sind dagegen. Kernargument: Das könnten Arbeitgeber und Arbeitnehmer "selber regeln" (Freudenberger, CSU). Der Staat habe sich "nicht einzumischen" (Baumann, AfD).
Idee 3: Mehr digitale Sitzungen
Geht es nach den Grünen, gibt es mehr Schaltkonferenzen. Bisher ist eine hybride Sitzung erlaubt, wenn zwei Drittel der Ratsmitglieder dem zugestimmt haben. Künftig soll die einfache Mehrheit reichen. Sogar reine Videokonferenzen sollen möglich sein. "Demokratie funktioniert digital", sagt Birzele. Ziel: mehr Familienfreundlichkeit.
Widerspruch der anderen: "Demokratie lebt von Leben", sagt FW-Mann Locke. Feichtmeier (SPD) zufolge wären Sitzungen ohne Präsenz "kein Gewinn für die Demokratie".
Idee 4: Mehr Mitsprache für die Jugend
Busverbindungen, Schulwege, Freizeitflächen – bei solchen Dingen soll die Jugend stärker mitreden dürfen: Ein "verbindliches Recht auf Jugendbeteiligung" fordern die Grünen. Die SPD schließt sich an. Die anderen bestreiten den Bedarf: Die Jugend könne "extrem niederschwellig" mitmachen (Locke, FW), "in ganz Bayern" gebe es Jugendparlamente (Freudenberger, CSU).
Idee 5: Wählen ab 16
In Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen, Hamburg und anderen Ländern darf man ab 16 Jahren kommunal wählen. Die Grünen nehmen einen weiteren Anlauf in Bayern. Die Jugend brauche Mitsprache "und nicht nur ein Feigenblatt".
Die AfD kontert, Jugendlichen fehle "die nötige politische Reife". Die CSU argumentiert, das aktive Wahlrecht "muss ans passive Wahlrecht gebunden bleiben".
Schwierig ist der grüne Vorschlag für die Freien Wähler: Sie sind eigentlich für Wahlalter 16, müssen aber Koalitionsdisziplin wahren gegenüber der CSU. Felix Locke begründet sein Nein nun mit dem Hinweis, die Senkung des Wahlalters sei bis zur Kommunalwahl im März nicht machbar. Der grüne Gesetzentwurf wird nun im Kommunalausschuss des Landtags beraten.
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