"Ich habe Angst, dass alles weiter eskaliert und es zu einem Dritten Weltkrieg kommt", schildert eine Hörerin in "Mitreden! Deutschland diskutiert". Die ARD-Sendung stellte am Montag die Frage: "Krieg in Nahost: Was macht das mit Ihnen?"
Auch anderen macht die aktuelle Entwicklung in Nahost Sorgen. Viele Menschen sind aufgrund der derzeitigen Weltlage beunruhigt, doch es gibt auch Menschen, die Krankheitssymptome entwickeln.
Wenn die Angst vor dem Krieg den Alltag beeinträchtigt
Bei ihnen führt die Sorge vor einem Krieg etwa dazu, dass sie sich nicht mehr aus dem Haus trauen, sagt der Psychotherapeut Mathias Heinicke. Auch Traumata von Menschen, die selbst unter Kriegserfahrungen leiden, würden aktuell wieder verstärkt.
Der Krieg zwischen Israel und Iran habe die Nachfrage nach psychologischer Unterstützung in den letzten Wochen nochmal verstärkt, erklärt Heinicke, Vorsitzender des Bundesverbands der Vertragspsychotherapeuten. Es gebe zwar noch keine genauen Zahlen, da die Situation noch zu frisch sei, aber subjektiv seien die Anfragen gestiegen.
Sicherheitsgefühl in Deutschland seit 2022 massiv gesunken
Allerdings spielt nicht nur der Konflikt im Nahen Osten eine Rolle, was die Kriegsangst in Europa insgesamt betrifft. Wenigstens bei den Passanten, die BR24 in München und Würzburg befragte. Der Krieg zwischen Israel, Iran und der Einstieg der USA beunruhige zwar, so eine Würzburgerin, doch der Krieg in der Ukraine sei viel näher.
Repräsentative Umfragen bestätigen dieses Bild. Während vor rund zehn Jahren nur eine Minderheit Angst vor einem Krieg in Europa hatte, machen sich mittlerweile mehr als zwei Drittel der Deutschen (64 Prozent) laut ARD-DeutschlandTrend vom Mai 2025 große beziehungsweise sehr großen Sorgen.
Zu ähnlichen Zahlen kommt der Militärsoziologe Timo Graf vom Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr in Potsdam. Während sich 2021, also vor dem Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine, nur 15 Prozent Sorgen machten, hat sich die Zahl verdreifacht. "Annähernd die Hälfte der Deutschen fühlt sich jetzt in ihrer persönlichen Sicherheit von Krieg bedroht", so der Soziologe, der im Auftrag der Bundeswehr eine Bevölkerungsbefragung durchführte.
Was ist anders als an der Angst im Kalten Krieg?
Die Angst vor Krieg oder Gewalt ist kein neues Phänomen, erklärt Mathias Heinicke: "Wir kennen sie aus dem Kalten Krieg als etwas entferntere Belastung, wir kennen sie aus den Balkankriegen, aus den Golfkriegen. Was sich verändert hat, ist die Art des Medienkontakts." Die Patientinnen würden deutlich stärker getriggert durch die Vielzahl an Informationen.
"Jetzt sind wir live dabei, es werden von den Kriegspartnern Live-Aufnahmen veröffentlicht. Ich kann zuschauen, wie die Bombe in Gebäude einschlägt und das sind andere Arten von Informationen, ungefilterte Informationen, teilweise auch falsche Informationen und das verstärkt natürlich Ungewissheiten und Ängste." Wenn die Angst beginnt, den Alltag zu beeinflussen oder gar einzuschränken, muss man handeln, so Heinicke.
Das Handy auch mal weglegen und Informationsquellen prüfen
Man müsse versuchen, an Kriegsbildern nicht hängen zu bleiben, denn so könne man in Belastungssituationen hineinrutschen, bestätigt auch Nikolaus Melcop, Präsident der Psychotherapeutenkammer Bayern. Deshalb müsse man eine gewisse Resilienz aufbauen. Dazu gehöre, die eigenen Grenzen zu kennen, "wieviel Informationen man aufnehmen kann". Selbstfürsorge sei wichtig. Aber auch soziales Engagement könne der eigenen Hilflosigkeit entgegenwirken. Ein falscher Weg sei es, sich zu isolieren.
Kontakte zu pflegen mit Freunden und Nachbarn, das empfiehlt auch Mathias Heinicke vom Bundesverband der Vertragspsychotherapeuten. Auch wenn es banal klänge: "Ruhe bewahren, sich der Informationsquellen bewusst werden. Im Zweifelsfall sogenannte Informationshygiene betreiben." Er empfiehlt, auf geprüfte Nachrichten zu setzen und nicht ungefiltert sozialen Medien zu trauen.
Timo Graf, Militärsoziologe der Bundeswehr, definiert Resilienz so, dass man sich von traumatischen Erfahrungen, von Krisen, Konflikten - gefühlt oder real - nicht unterkriegen lassen sollte. Sie seien "vielleicht auch eine Herausforderung, zu wachsen".
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