Ein Jugendlicher ballt die Faust.
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In der polizeilichen Kriminalstatistik steigt die Zahl der tatverdächtigen Gewalttäter unter 18.

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Junge Straftäter – warum nehmen Gewaltdelikte zu?

In der polizeilichen Kriminalstatistik fällt bei den Gewaltverbrechen eines besonders auf: Die Zahl der tatverdächtigen Kinder hat 2024 deutlich zugenommen. Auch bei Jugendlichen ist das so. Was steckt dahinter und wie ist die Situation in Bayern?

Über dieses Thema berichtet: Der Funkstreifzug am .

"Ich war mal in eine Schlägerei verwickelt", sagt Dennis. "Es gab Stress, weil jemand die Mutter von meinem Freund beleidigt hat: ihn Hurensohn genannt hat." Am Ende landen zwei Jugendliche im Krankenhaus, erzählt der 17-Jährige.

Wir haben den Namen des Jugendlichen geändert, treffen ihn, als er gerade mit Freunden auf einem Platz in einer bayerischen Gemeinde abhängt. Er macht eine Ausbildung und hat gerade Feierabend. Erkannt werden will er nicht. Die Schlägerei, von der er berichtet, war nicht seine erste – er will sich durch Gewalt Respekt unter anderen Jugendlichen verschaffen. "Man hat sich dann einen Ruf aufgebaut, so einen Ruf auf der Straße sozusagen", sagt Dennis, "Leute suchen keinen Streit mit dir, weil die wissen ja, der ist stabil und so. Der würde uns auseinandernehmen." Er sagt, er sei noch nie von der Polizei erwischt worden.

Von schwerer Körperverletzung bis räuberische Erpressung

Massenschlägereien im öffentlichen Raum – eine Mädchen-Gang am Münchner Hauptbahnhof, die Passanten überfällt. Jugendliche, die andere angreifen und das Video über soziale Medien teilen. Taten wie diese fließen in die polizeiliche Kriminalstatistik ein. Bundesweit sind die Zahlen bei den Gewaltdelikten junger und sehr junger Tatverdächtiger letztes Jahr weiter gestiegen.

Besonders auffällig: Die Zahlen bei den tatverdächtigen Kindern. Bei den Gewaltverbrechen sind sie von 2024 im Vergleich zum Vorjahr deutschlandweit um 11,3 Prozent gestiegen. In absoluten Zahlen: 13.755 Kinder zwischen acht und 14 Jahren wurden im Jahr 2024 der Polizei gemeldet, weil sie mutmaßlich gefährliche oder schwere Körperverletzung begangen hatten, Raub oder räuberische Erpressung.

Wichtig ist zu betonen, dass es sich dabei um Tatverdächtige handelt. Ob sich der Verdacht im Ermittlungsverfahren später bestätigt, gibt die polizeiliche Kriminalstatistik nicht wieder.

Auch in Bayern nimmt die Zahl junger Tatverdächtiger zu

Auch in Bayern nimmt laut Statistik die Zahl jugendlicher Tatverdächtiger bei den Gewaltdelikten zu - und das mit Ausnahme der Corona-Jahre 2020-2021 - schon seit Jahren. Besonders deutlich wird das bei Raubdelikten und räuberischer Erpressung: Die Fallzahlen bei den über 14-Jährigen haben sich seit 2016 mehr als verdoppelt. Bei den Kindern unter 14 im gleichen Zeitraum verdreifacht – auf niedrigem Niveau. "Vereinzelt gibt es welche mit sechs Jahren", sagt Michael Laumer von der kriminologischen Forschungsgruppe des LKA Bayern, "aber wenn wir die Kinder betrachten, dann sind es vor allem die älteren Kinder im Alter von zwölf und 13 Jahren, die uns besonders auffallen".

Auch in München nahm die Zahl der tatverdächtigen Kinder unter 14 laut Sicherheitsbericht der Polizei gegenüber dem Vorjahr um 74,2 Prozent zu. 344 von ihnen im Zusammenhang mit schwerer oder gefährlicher Körperverletzung. Bei den Jugendlichen bestätigt sich dieser Trend.

Daniel Bartel, zuständig für jugendtypische Gewaltkriminalität bei der Münchner Polizei, machen vor allem die Zahlen räuberischer Erpressung unter Jugendlichen Sorgen. "Es ist nicht immer nur das Luxusgut, das man haben möchte", sagt Bartel, "da geht es darum, jemanden einzuschüchtern und eine Trophäe zu holen".

Gewalt wird vor allem von Jungen ausgeübt

Warum die Zahlen jugendlicher Straftäter steigt, ist nicht eindeutig zu beantworten. Forschende und Polizei vermuten, dass die Corona-Zeit eine wichtige Rolle spielt, da gerade Kinder und Jugendliche hart getroffen wurden – und in der Pubertät isoliert von Gleichaltrigen waren. Auffällig ist auch, dass kriminelle Jugendliche vor allem männlich sind.

Das Rollenbild gewaltbejahender Männlichkeit mache aktuell Schule, sagt Bernd Holthusen vom Deutschen Jugendinstitut. "Nicht alle männlichen Jugendlichen, aber diejenigen, die mit Gewalttaten zu tun haben, die haben häufiger gewaltlegitimierende Männlichkeitsnormen – so ist der Begriff dafür", sagt der Forscher. "Das heißt, dadurch steigt dann auch erheblich das Risiko, Gewalttaten zu begehen."

Im Langzeittrend ist Jugendgewalt eher zurückgegangen

Der 17-jährige Dennis bestätigt, Mädchen würden sich in seiner Clique eher nicht prügeln: "Manchmal schauen sie zu und machen Videos", sagt er und auf Nachfrage, wie weit die Schlägereien normalerweise gehen, antwortet er: "Bis der andere auf dem Boden liegt und ins Krankenhaus muss."

Experte Holthusen sagt, der Anstieg sei zwar erheblich, schränkt aber ein: "Wir liegen trotzdem noch unter dem Niveau von vor 15 Jahren und erheblich unter dem Niveau von 20 Jahren bei den Jugendlichen."

Mehr zum Thema im BR24 Funkstreifzug - am Mittwoch 25. Juni um 12.15 Uhr in BR24 Radio oder als Podcast in der ARD-Audiothek.

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