Händeschütteln von Putin und Araghtschi
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Putin empfängt den iranischen Außenminister Abbas Araghtschi

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"Moskau hat es nicht eilig": Warum hilft Putin dem Iran nicht?

Ein Besuch des iranischen Außenministers Abbas Araghtschi in Moskau verlief wenig spektakulär: Putin beließ es bei Floskeln. Russische Propagandisten versuchen mühsam, sich darauf einen Reim zu machen und hoffen auf die Opferbereitschaft der Iraner.

Über dieses Thema berichtet: BR24 am .

"Die Tatsache, dass Iran und Russland dieselben Feinde haben, macht sie nicht zu Freunden. Nicht einmal zu Partnern, seien wir ehrlich", so Polit-Blogger Anatoli Nesmijan [externer Link], der den Besuch des iranischen Außenministers Abbas Araghtschi in Moskau als "Verzweiflungstat" bezeichnete: "Auch alle anderen Hilfsoptionen werden ebenso symbolischer Natur sein. Das war allgemein bekannt. Die Hilfe, die der Iran Russland gewährte, erfolgte auch nicht ohne Gegenleistung – ganz im Gegenteil, gegen Geld. Daher hat Russland gegenüber dem Iran keine besonderen Verpflichtungen."

Auch das strategische Partnerschaftsabkommen zwischen beiden Ländern sehe keine gegenseitigen Unterstützungsverpflichtungen vor: "Es setzt Diskussionen und Konsultationen voraus, alles andere wird je nach Lage entschieden."

"Russlands Einfluss schwindet"

Putin hatte bei dem Treffen mit Araghtschi lediglich gesagt [externer Link]: "Unsere Position zu den aktuellen Ereignissen ist bekannt." Von irgendwelchen Militärhilfen war keine Rede. Der Chefkolumnist des liberalen Wirtschaftsblatts "Kommersant", Andrei Kolesnikow, spottete [externer Link]: "Putins Satz, er freue sich darüber, dass der iranische Außenminister in Moskau sei, war der aufrichtigste. Man sollte wirklich froh für Abbas Araghtschi sein, dass er an diesem Tag nicht in Teheran war. Früher oder später muss er jedoch dorthin zurückkehren."

Eines der wichtigsten russischen Polit-Portale mit 614.000 Fans kommentierte das Treffen mit den Worten [externer Link]: "Russlands Einfluss im Nahen Osten und in der Welt insgesamt schwindet vor unseren Augen, während die Spezialoperation in der Ukraine weitergeht."

Politologe Ilja Graschtschenkow brachte es auf den Punkt [externer Link]: "Waffenhilfe dürfte jetzt [wegen Putins eigenem Krieg] kaum funktionieren, und Investitionen in die Entwicklung der iranischen Wirtschaft scheinen derzeit nicht der günstigste Zeitpunkt zu sein."

"Eindeutig eine militärische Niederlage"

Kreml-Propagandist Sergei Markow beließ es denn auch bei einem "Quantum Trost" für Teheran [externer Link]: "Der Iran erleidet eindeutig eine militärische Niederlage. Es wird jedoch keine Invasion iranischen Territoriums geben. Daher können die Raketenangriffe auf iranische Städte noch viele Monate andauern. Und die Iraner – die Schiiten – werden einfach ausharren. Und das wird ihre Art zu beten sein. Viele Monate lang. Und möglicherweise sogar viele Jahre lang."

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Politologe Konstantin Kalaschew zweifelt dagegen am Durchhaltewillen der Iraner [externer Link]: "Aus irgendeinem Grund ist es der iranischen herrschenden Elite bisher nicht gelungen, den Willen und die Einheit von Millionen Menschen deutlich zu demonstrieren. Man kann nicht anders, als an die Unbeliebtheit des Regimes zu glauben."

"Mittel für Evakuierung von Irans Führung"

Das sarkastische Fazit eines weiteren russischen Bloggers [externer Link]: "Moskau hat es nicht eilig, Teheran mit Waffen, einschließlich Luftabwehrsystemen, zu unterstützen (es hat selbst nicht genügend). Es verspricht jedoch, im Falle einer drastischen Verschlechterung der Lage Mittel für die Evakuierung der obersten Führung des Irans bereitzustellen (allerdings kaum kostenlos)."

Die kremltreue Polit-Bloggerin Elena Panina argumentierte verquer [externer Link], Teheran lasse es an Entschlossenheit fehlen und erhalte deshalb keine Unterstützung von "Verbündeten" wie Russland und China: "Sollte Teheran unter Drohungen den Weg der 'Kompromisse' beschreiten, also seine bisherigen Positionen stillschweigend aufgeben, wird es um Hilfsleistungen schlecht aussehen. Man kann nicht iranischer sein als die Iraner selbst – das ist der springende Punkt der aktuellen Lage."

"Lokomotive holt immer auf"

Teheran habe derzeit "im Grunde genommen keine guten Optionen mehr – nur schlechte und sehr schlechte", so Michael Rostowski, der Chefkommentator der auflagenstarken "Moskowski Komsomolez" [externer Link]: "Jeder wirksame, nicht nur dekorative Versuch des Iran, 'vollständige Rache zu nehmen', wird in erster Linie die Probleme der Teheraner Machthaber selbst verschärfen."

Die Chefin von Putins Propagandasender RT ("Russia Today"), Margarita Simonjan, lenkte die Aufmerksamkeit vom Iran auf Moskau und verwies darauf [externer Link], dass der berüchtigte Geheimdienstchef von Stalin, Lawrenti Beria, Russland das Wissen zum Bau von Atombomben beschafft habe: "Wenn man mit Erstaunen betrachtet, was in der Welt passiert, kann man nicht anders, als Beria zu danken. Ohne die Bombe würden wir jetzt eine Krisensitzung der UN einberufen und wüssten im Allgemeinen nicht, was wir als Nächstes tun sollen. Das macht einen ganz klaren Unterschied aus."

Darüber spottete Politologe Andrei Kalitin [externer Link]: "Selbst in der UdSSR kam niemand auf die Idee, sich bei Beria zu bedanken. Wer das jetzt sagt, versteht das Wichtigste nicht: Es ist gefährlich, der Lokomotive vorauszueilen. Die Lokomotive holt immer auf."

Der im Ausland lebende Politologe und ehemalige Kreml-Redenschreiber Abbas Galljamow reagierte ähnlich ironisch [externer Link]: "Simonjan gab zu, dass sie und Putin in 25 Jahren nichts Ernsthaftes geschaffen haben. Alles, was sie erreicht haben, verdanken sie offenbar dem Erbe von Beria."

Im Video: Erwartet der Iran Beistand aus Russland?

ARD-Korrespondentin Ina Ruck in Moskau.
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ARD-Korrespondentin Ina Ruck in Moskau.

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