Ein junger Mann surft durch YouTube (Archivbild)
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Jugend ohne Social Media: Wie Australien sein Verbot umsetzt

Ab morgen sind Tiktok und Co in Australien gesetzlich verboten. Die Regierung will die jungen Menschen schützen. Ob Social Media sie aber tatsächlich gefährdet, ist wissenschaftlich umstritten. Die Hintergründe.

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Kein Social Media mehr für Kinder und Jugendliche unter 16 Jahren. Worüber Europa noch heiß diskutiert, ist ab dem 10. Dezember in Australien qua Gesetz Realität. Mit der Online Safety Amendment (Social Media Minimum Age) Bill 2024 (externer Link) sind Netzwerke wie TikTok und Snapchat tabu für alle unter 16 Jahren.

Beschlossen hat Australien das Gesetz bereits vor einem Jahr. Seither hatten die Plattformen Zeit, das Verbot technisch umzusetzen – und seither sprechen auch BR24-User in den Kommentarspalten das Vorgehen immer wieder als Vorbild an. Nutzer "Raven25" bat BR24 schon im Sommer, nachzuforschen, wie es dort mit der Umsetzung aussieht. Und User "wrzlprmpft" fragte Ende Oktober: "Wie wird das dort durchgesetzt/kontrolliert und gibt es bereits Studien oder Erkenntnisse, die eine Auswirkung dieser Einschränkung zeigen?"

Warum hat Australien das Verbot erlassen?

Die australische Regierung begründet das Verbot mit dem Schutz von Kindern und Jugendlichen. Hintergrund: Cybermobbing, sexualisierte Chats und die Auseinandersetzung mit nicht altersgerechten Inhalten. Gestützt wird das Gesetz auch durch landesweite Initiativen und öffentliche Diskussionen.

Gibt es Studien, die den Nutzen eines Social-Media-Verbots belegen?

Es gibt evidenzbasierte Erkenntnisse, aber keine empirischen Studien. Australische Wissenschaftler etwa vom Murdoch Children's Research Institute beobachten die Entwicklungen. Sie wollen jetzt mit einer Studie (externer Link) herausfinden, ob die Social-Media-Nutzung eine Ursache für psychische Probleme junger Menschen ist oder ob sie sie verstärkt.

Gleichzeitig sehen internationale Studien durchaus Zusammenhänge zwischen intensiver Social-Media-Nutzung und Depressionen, Angst und Schlafstörungen bei jungen Menschen. Die deutsche Leopoldina kommt in ihrem Diskussionspapier (externe Links) zu dem Schluss, der Zusammenhang sei korrelativ, nicht kausal.

Welche Plattformen sind für Jugendliche unter 16 Jahren gesperrt?

Im Kern geht es um die großen Netzwerke wie TikTok und Instagram. Sie erfüllen die Kriterien für altersbeschränkte Plattformen (externer Link):

  • Ein wesentlicher Zweck ist die soziale Interaktion zwischen zwei oder mehr Nutzern.
  • Die Plattform ermöglicht es den Nutzern, sich mit anderen zu verbinden und interagieren.
  • Nutzer können in dem Netzwerk Content posten.

Die australische eSafety-Kommissarin nennt auf ihrer Website (externer Link) namentlich Facebook, Instagram, Snapchat, Threads, TikTok, Twitch, X, Youtube, Kick und Reddit.

Wie setzen die Plattformen das Verbot technisch um?

Als datenschutzkonform beste Option gilt das folgende Verfahren:

  • Ein Drittanbieter prüft den Ausweis oder KI-basiert das Gesicht des Nutzers.
  • Er generiert ein digitales Freigabe-Token.
  • Datenschutzkonform erhält die Plattform nur diesen anonymisierten Token und schaltet den Account frei.

Beispiel Meta und Snap: Beide Unternehmen sperren die Konten von Nutzern, die sie qua Algorithmus als unter 16 identifizieren. Wer zu Unrecht erfasst ist, kann sich mit der Altersverifikation wieder freischalten lassen. Meta will die Accounts nicht löschen, nur sperren bis zum 16. Geburtstag.

Was ist mit Video- und Spiele-Plattformen?

Youtube wollte ursprünglich als Bildungs-Plattform anerkannt werden, fällt aber unter die Gesetzeskriterien. Sobald der Algorithmus einen Nutzer als unter 16-jährig erkennt, wird er automatisch wieder abgemeldet (externer Link). Damit können die Jugendlichen die Videos zwar weiter anschauen, aber nicht mehr liken oder kommentieren. Youtube warnt: Es gebe keine Kontrolle mehr über ihr Nutzungsverhalten. Auch der Kinderschutz-Algorithmus werde ausgehebelt.

Roblox fällt nicht unter die Verbotskriterien. Der Hauptzweck sei das Spielen, nicht das Interagieren. Allerdings gibt es für unter 16-Jährige umfangreiche technische Änderungen, die sie besser schützen sollen.

Lässt sich die Sperrung umgehen?

Ja, etwa durch die Nutzung von VPNs. Damit können Nutzer den Netzwerken suggerieren, dass sie sich zum Beispiel aus den USA einloggen würden, obwohl sie in Australien sind.

Sind auch Messenger wie Whatsapp betroffen?

Nein. Whatsapp und Facebook Messenger sind ausgenommen von dem Verbot. Im Fokus stehe dort die private Kommunikation, kein algorithmisch getriebener Charakter.

Warum ist der australische Weg bislang einzigartig?

Australien greift als erster Staat weltweit in die digitale Lebenswelt von Jugendlichen ein. Die Verantwortung für ihren digitalen Konsum liegt jetzt beim Gesetzgeber und den Technologiekonzernen. Selbst wenn Eltern der Social-Media-Nutzung zustimmen, verbietet der Staat den Plattformen, diese Erlaubnis zu akzeptieren.

Wer wird bestraft, wenn unter 16-Jährige trotzdem die Plattformen nutzen?

Die Tech-Konzerne. Es ist ihre Verantwortung, die Netzwerke technisch gesetzeskonform abzusichern. Bei Verstößen drohen umgerechnet rund 30,5 Millionen Euro Höchststrafe.

Wie reagieren die Australier auf das Verbot?

Die Mehrheit der Australier unterstützt das Gesetz in Umfragen. Dagegen erwartet etwa das Kinderhilfswerk Unicef (externer Link) nicht, dass es die Probleme junger Menschen im Netz lösen wird. Social Media habe auch viele Vorteile. Unicef würde die Plattformen lieber sicherer regulieren, statt sie zu verbieten.

Digitalexperten der Universität von Sydney (externer Link) warnen, Jugendliche würden nicht einfach aufhören, das Netz zu nutzen. Stattdessen dürften sie jetzt ausweichen auf unregulierte, weniger sichere Nischenplattformen.

Audio: Wie Australier sich auf das Verbot vorbereiten

Symbolbild/Grafik-Collage: Ein Wegweiser Richtung "Social-Media-Verbot" und der Flagge von Australien über einer roten Ampel.
Bildrechte: picture alliance / ZB | Sascha Steinach
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Symbolbild/Grafik-Collage: Ein Wegweiser Richtung "Social-Media-Verbot" und der Flagge von Australien über einer roten Ampel.

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