Markus Söder weiß, wie es geht, aber er verzichtet darauf. Der CSU-Chef kennt die Themen, mit denen er seine Anhänger sofort zum Kochen bringen kann, doch er spart sie aus: keine Attacken auf die Grünen, kein Nein zur Gendersprache, keine Warnung vor Cannabis oder Zwangs-Veganismus wie auf früheren Parteitagen. Kein Spott über EU-Flaschendeckel oder "Woke-Wahnsinn" wie bei Kundgebungen. Es seien schwere Zeiten, sagt Söder dazu in den ARD-"Tagesthemen". Deswegen habe er "keine Bierzeltrede, keine Hip-hip-hurra-Rede gehalten, die es ja gern mal bei CSU-Parteitagen gibt, sondern schon eine sehr ernste".
- Zum Vorbericht: Merz in München: CSU will Kanzler Rückendeckung geben
Über die Jahre wurde Söder oft für seine Haudrauf-Rhetorik kritisiert. Was er in den vergangenen Wochen schon mehrfach in Ansätzen zeigte, vollendet er auf diesem CSU-Parteitag im Advent: Abgesehen von einem Seitenhieb auf die Jusos ("Trauer- und Trümmertruppe") und kleinen Spitzen spricht er sehr sachlich.
Konservative Standortbestimmung
Der bayerische Ministerpräsident thematisiert Heimat und Wehrpflicht, innere Sicherheit und Migration, Fleiß und Leistung. Er spricht über den Verbrenner und die "Green-Deal-Ökologie-Ideologie", über Glauben und Lebensschutz, grenzt sich klar von der AfD ab. Er zitiert Franz Josef Strauß und beschwört das Erbe Edmund Stoibers. In rund 75 Minuten skizziert Söder seine Idee einer konservativen Politik in herausfordernden Zeiten. Neu ist der Stil dieser Standortbestimmung, die Inhalte sind es nicht.
Dabei nimmt der CSU-Chef in Kauf, dass der Applaus verhaltender ist als sonst. Führende CSUler loben anschließend im persönlichen Gespräch die "starke Rede", aber längst nicht jeder Delegierte teilt diese Begeisterung.
"Denkzettel" mit mehreren Ursachen
Einen Zusammenhang zwischen Söders "ernsten" Tönen und dem vergleichsweise schwachen Ergebnis bei der Wiederwahl zum Parteichef sehen auch Kritiker nicht. Bei Livemusik, deftigem Essen, Bier und Wein ist die Suche nach den Gründen für den 83,6-Prozent-"Denkzettel" am Freitagabend ein dominierendes Gesprächsthema in der Messe München.
Immer wieder ist zu hören, die Ursachen seien wohl vielfältig: Ein paar Jüngere seien frustriert über die Rentenentscheidung, der eine oder andere CSUler unzufrieden mit dem Reformtempo in Berlin. Vielleicht missfalle Einzelnen auch Söders klare Abgrenzung zur AfD. Andere wünschen sich mehr programmatische und personelle Breite in der Partei.
Söder gibt sich gelassen. Im BR24-Interview spricht er von einem "sehr ordentlichen Ergebnis". Er habe zuletzt Entscheidungen treffen und Prioritäten setzen müssen. "Da gibt es immer den einen oder anderen, der sich schwertut."
Signal der Geschlossenheit
Söders Versprechen, dass vom Parteitag ein Signal der Geschlossenheit der Unionsparteien ausgehen werde, hält die CSU: CDU-Chef Friedrich Merz wird am Samstag nicht nur sehr freundlich empfangen, sondern bekommt nach seinem Auftritt sogar überschwänglicheren Applaus als am Vorabend Söder.
Auch Merz hält eine ernste Rede und verzichtet weitgehend auf parteipolitische Abrechnungsrhetorik. Zwar geht er auf Distanz zu "Klassenkampftönen" in der SPD und kritisiert damit indirekt Arbeitsministerin Bärbel Bas. Ansonsten aber verbreitet der Kanzler Zuversicht mit Blick auf Schwarz-Rot, schließlich gebe es zu dieser Koalition keine Alternative. "Wir werden das mit diesen Sozialdemokraten machen." Es gelte zu zeigen, dass sich Probleme in der politischen Mitte lösen lassen.
"Demokraten müssen zusammenhalten"
Wenn Merz auf die globalen Herausforderungen verweist, die es zu bewältigen gilt, wird Söders Wahlergebnis vom Vorabend fast zur Randerscheinung: Statt über innenpolitische Detailfragen zu streiten, müsse für Freiheit, Frieden, Rechtsstaat, Demokratie und eine offene Gesellschaft gekämpft werden, betont der Kanzler. "Es steht nichts weniger auf dem Spiel als genau das." Dabei verbindet der Kanzler in seiner Rede kritische Bestandsaufnahme mit einem optimistischen Ausblick. Bei den CSU-Delegierten kommt das gut an.
Söder dankt Merz für eine "ernste Rede" in "ernsten Zeiten" – und schlägt den Bogen zu seiner eigenen: Er habe es ja auch gesagt, dass nicht die Zeit für lustige Anekdoten sei, "sondern wir brauchen jetzt konzentrierte, klare Antworten".
Im Video: Merz auf dem CSU-Parteitag
CDU-Chef Friedrich Merz in München
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