Eigentlich will der bayerische CSU-Fraktionschef Klaus Holetschek ein verpflichtendes Gesellschaftsjahr für Frauen und Männer in Deutschland. Aber der Weg dorthin ist lang und voller Hürden. Deshalb wollen die Christsozialen jetzt schon tun, was möglich ist: "In Bayern gehen wir im Rahmen der bestehenden bundesrechtlichen Möglichkeiten mit einem Bayernjahr kraftvoll voran", heißt es im Entwurf für eine Resolution, die die CSU-Landtagsabgeordneten bei ihrer Herbstklausur im oberfränkischen Kloster Banz beschließen wollen.
Die Idee: Menschen in Bayern sollen sich ein Jahr lang engagieren – in den Bereichen Soziales, Umwelt, Wirtschaft und Sicherheit samt freiwilligem Wehrdienst. Diese "Module" sollen im Lauf von zwölf Monaten absolviert werden können.
Führerschein-Kosten fürs Bayernjahr
Für dieses Engagement will die CSU Anreize schaffen: Zum Beispiel die Übernahme der Kosten für den Führerschein oder Vorteile bei der Studienplatzvergabe. "Bayernjahr heißt eigentlich: Was können wir dem Staat auch wieder zurückgeben?", erklärt Holetschek. In einem Staat gebe es Rechte, aber auch Pflichten. Das Bayernjahr solle sich nicht nur an junge Menschen richten, sondern an alle.
Perspektiven für die Jugend und die Modernisierung des Staates sind zwei Schwerpunkte der dreitägigen CSU-Klausur. Dabei soll es auch um Einsparungen gehen: "Wir können uns nicht alles leisten, was wir uns über Jahre gern leisten möchten", sagt Ministerpräsident Markus Söder (CSU) bei seiner Ankunft. Es brauche Investitionen, aber auch eine Staatsreform, um "maximale Effizienz" zu erzielen.
Freie Wähler skeptisch
Der Koalitionspartner fordert die CSU auf, sich im Bund für mit aller Kraft für ein einheitliches, verpflichtendes Gesellschaftsjahr einsetzen: Die Freien Wähler forderten dies schon seit Jahren, betont Fraktionschef Florian Streibl auf BR-Anfrage. Vom freiwilligen Bayernjahr hält er wenig: "In diesen Zeiten sind neue bürokratische Strukturen oder Mehrbelastungen für die kommunale Familie, wie sie das Bayernjahr unweigerlich mit sich bringen würde, schwer vermittelbar."
Grüne warnen vor Bürokratie
Von einem "Bürokratieprogramm" spricht auch der Grünen-Innenexperte im Landtag, Florian Siekmann. Die CSU verdränge wieder mal ihre Regierungsbeteiligung in Berlin. "Statt sich ein neues bürokratisches Landesprogramm mit zig Modulen auszudenken, könnte sie sofort mehr Plätze für das freiwillige soziale Jahr schaffen." Das würde laut Siekmann allerdings Geld kosten, insbesondere falls die Bezahlung zum Leben reichen solle.
AfD: "Schnellschuss"
Auch die AfD-Fraktion lehnt den Vorstoß ab. Beim Bayernjahr handle es sich "um einen konzeptionslosen Schnellschuss", beklagt Fraktionschefin Katrin Ebner-Steiner. "Die Öffnung für alle Altersklassen steht im Widerspruch dazu, dass sich die vorgeblichen 'Anreize' exklusiv an junge Menschen richten."
Ebner-Steiner wirft der CSU vor, vom eigenen Versagen ablenken zu wollen: bei der Sicherung des Gesundheitswesens, der Pflege und der Kinderbetreuung. "Weil die Staatsregierung nicht in der Lage ist, dem Fachkräftemangel zu begegnen, soll die Jugend nun die Lücken füllen". Junge Menschen seien mit Ausbildung und Studium, Berufseintritt und Familiengründung genug ausgelastet. Allerdings fordert auch die AfD - wie die Union - eine Rückkehr zur allgemeinen Wehrpflicht für Männer.
SPD: CSU muss nachliefern
Viele Fragezeichen sieht die SPD-Fraktion, wie ihr Vorsitzender Holger Grießhammer erläutert: "Wird in diesem Jahr den Freiwilligen eine Wohnung zur Verfügung gestellt? Was bekommen diese jungen Menschen als Entlohnung? Ist es am Ende nur der Führerschein, oder ist es auch eine Unterkunft? Wird für die Verpflegung gesorgt?" Die CSU müsse hier noch "nachliefern", dann werde sich die SPD damit auch beschäftigen.
Jugendring: Sehr zu begrüßen
Lob kommt dagegen vom Bayerischen Jugendring. "Aus Sicht der bayerischen Jugendarbeit ist es sehr zu begrüßen, dass sich die CSU beim freiwilligen Bayernjahr auf die bestehenden und bewährten Strukturen der Freiwilligendienste stützen will", sagt BJR-Präsident Philipp Seitz. Um junge Menschen noch stärker für gesellschaftliches Engagement zu motivieren, sei das Aufgreifen von intrinsischer Motivation aus Sicht des BJR weitaus zielführender als eine gesetzliche Verpflichtung.
Die angekündigten Anreize seien "sehr positive Signale", denn es würden konkrete Probleme junger Menschen aufgegriffen. Begrüßenswert sei auch die Öffnung des Bayernjahrs für alle Altersgruppen. Dies unterstreiche, "dass die Übernahme von Verantwortung für den gesellschaftlichen Zusammenhalt nicht allein der jungen Generation aufgebürdet werden kann".
Im Video: Herbstklausur der CSU-Fraktion
Die CSU-Landtagsfraktion trifft sich derzeit im oberfränkischen Kloster Banz zur Herbstklausur.
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