Josia Topf beim Sonntags-Stammtisch
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Ohne praktische Hilfe der Mitbürger im Alltag könne Inklusion nicht gelingen, erklärte Inklusionsbotschafter Josia Topf am Sonntags-Stammtisch.

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Inklusion im Alltag: Das wünscht sich Para-Sportler Josia Topf

Eigentlich sollten öffentliche Räume in Bayern bis 2023 barrierefrei werden. Das Ziel hat der Freistaat klar verfehlt. Am BR Sonntags-Stammtisch erklärte Josia Topf, Para-Sportler 2025, was jeder Einzelne zur Barrierefreiheit beitragen kann.

Über dieses Thema berichtet: Der Sonntags-Stammtisch am .

Im Alltag sind Menschen mit Behinderung häufig auf die Hilfe ihrer Mitmenschen angewiesen. Das machte Josia Topf, Parasportler des Jahres 2025, am BR Sonntags-Stammtisch deutlich: "Wenn mir jemand den Rollstuhl reinhebt, kann ich alleine ICE fahren."

Doch häufig würden auch Menschen ohne Behinderung in solchen Situationen vergebens auf Hilfe warten. Als Beispiel nannte Topf den Einstieg einer Mutter mit Kinderwagen in den Zug: "Meinen Sie, da greift irgendjemand zu? Die haben alle ihre Kopfhörer auf, die schleichen sich alle daran vorbei", erzählte er. "So kann Inklusion nicht gelingen", kritisierte der Paralympics-Schwimmolympiasieger.

Die Gäste des BR Sonntags-Stammtischs
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Gastgeber Hans Werner Kilz und seine beiden Stammgäste Ursula Münch und Klaus Bogenberger mit Ilse Aigner und Josia Topf.

Josia Topf kam mit schweren körperlichen Behinderungen zur Welt: Seine Hände sind an den Schultern angewachsen, seine Beine sind unterschiedlich lang und er hat keine Kniegelenke. Trotzdem begann er 2012 beim Schwimmverein Erlangen zu trainieren. Er entwickelte eine einzigartige Schwimmtechnik, die ihn bis zur Goldmedaille bei den Paralympics 2024 in Paris brachte.

Inklusionsbotschafter Josia Topf fordert Bürokratieabbau

Mittlerweile ist Josia Topf auch Botschafter für Inklusion und Barrierefreiheit. Neben dem Profisport studiert der 22-Jährige Rechtswissenschaften. Dabei hat er auch mit Bürokratie zu kämpfen. Seit zwei Monaten versucht er, eine Studienhilfe über einen Minijob anzumelden. Das sei bisher nicht gelungen. Stattdessen würden ihm mehrere Verwaltungslotsen zur Seite gestellt. "Ich könnte meine Zähne zermalmen bei der Vorstellung, mich morgen wieder dran zu setzen. Weil es geht einfach nicht vorwärts." Daher wünscht er sich Erleichterungen bei der Bürokratie.

"Aber die trifft jeden", fügte Landtagspräsidentin Ilse Aigner (CSU) scherzhaft hinzu. Am BR Sonntags-Stammtisch kam sie auch darauf zu sprechen, dass im Bayerischen Landtag derzeit kein Abgeordneter mit Behinderung vertreten ist. Für Josia Topf, der bei der Kommunalwahl für die CSU in Erlangen kandidiert, ist das allerdings kein Problem: "Man kann Menschen auch repräsentieren, wenn man nicht unbedingt ihre Einschränkungen teilt."

Nur 63 Prozent aller öffentlichen Gebäude in Bayern barrierefrei

Ein weiteres Diskussionsthema war die Barrierefreiheit, um die es in Bayern nicht besonders gut steht: 2013 hatte der damalige bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) angekündigt, öffentliche Räume und den öffentlichen Personennahverkehr bis 2023 komplett barrierefrei zu machen. Doch nur 63 Prozent aller öffentlichen Gebäude in Bayern sind mittlerweile tatsächlich barrierefrei.

Landtagspräsidentin Aigner: "Nicht alles auf einen Schlag umbauen"

Landtagspräsidentin Aigner rechtfertigte das so: "Man ist immer noch in einem Prozess, weil das natürlich eine ständige Aufgabe ist. Sie können auch auf einen Schlag nicht immer alles umbauen", erklärte Aigner. Sie verwies darauf, dass Neubauten grundsätzlich barrierefrei seien. Auch der Bayerische Landtag werde gerade barrierefrei umgebaut.

Josia Topf wünscht sich mehr Miteinander im Alltag

Für Josia Topf ist nicht die Zahl der barrierefreien Gebäude, sondern der Umgang der Menschen miteinander entscheidend. "Wenn wir uns als Gesellschaft gemeinsam zusammentun, würde es den Einzelnen sehr, sehr wenig kosten, jemanden wie mich zu inkludieren." Wer als Mensch ohne Behinderung verunsichert ist, wie er sich gegenüber Menschen mit Behinderung im Alltag verhalten soll, dem rät Josia Topf, einfach kurz nachzufragen, ob man helfen könne: "Meistens wird das doch sehr gerne angenommen. Das ist was, womit man Menschen inkludieren kann, ohne groß etwas zu tun.“

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