Peter Thiel 2016 auf dem Parteitag der Republikaner
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Peter Thiel 2016 auf dem Parteitag der Republikaner

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Peter Thiels apokalyptischer Plan für Amerika

Er fürchtet den Antichristen, das Armageddon – und glaubt, Amerika müsse zum "Aufhalter" werden. Peter Thiel finanziert Politiker, formt Ideologien, verschiebt Grenzen. In der US-Politik wächst eine Ideologie, die Religion mit Macht verbindet.

Über dieses Thema berichtet: BR24 am .

Die Nachricht wirkt zunächst harmlos: Eine katholische Gebets-App namens "Hallow" erobert die Download-Charts. Nutzer können sich Gebete vorsprechen lassen, spirituelle Ratschläge erhalten. Sogar während des Super Bowl läuft Werbung für die App – der teuerste Werbeslot der Welt. Doch was diese Geschichte bemerkenswert macht, sind die Investoren: US-Vizepräsident J.D. Vance und Peter Thiel, der deutschstämmige Tech-Milliardär und PayPal-Mitgründer.

Für Thiel ist diese Investition mehr als ein Geschäft. Sie ist Teil einer umfassenden Weltanschauung, die sich um biblische Prophezeiungen, das Ende der Welt und Amerikas Rolle als letzte Bastion gegen das Böse dreht. Während die Öffentlichkeit auf US-Präsident Donald Trump und den Tech-Milliardär Elon Musk blickt, entwickelt Thiel im Hintergrund eine Vision, die weit über die nächste Legislaturperiode hinausreicht.

Zwischen Atomkrieg und Antichrist

Thiel sieht die Menschheit an einem gefährlichen Scheideweg. Nuklearwaffen, Biowaffen und künstliche Intelligenz haben seiner Ansicht nach apokalyptische Bedrohungen von der Science Fiction in die Realität geholt. Er identifiziert zwei extreme Zukunftsszenarien: Armageddon – die totale Zerstörung durch Atomkrieg, Biowaffen oder Killer-KI – und den Antichristen, den er als "Welteinheitsstaat mit echten Zähnen und echter Macht" definiert.

Thiels Interpretation des Antichristen ist dabei bemerkenswert konkret: Eine globale Regierung, die den Menschen "Frieden und Sicherheit" verspricht – eine Formulierung, die er direkt aus der Bibel ableitet. Institutionen wie die UN oder EU sieht er als potenzielle Vorstufen einer solchen "Wohlfahrtsdiktatur mit allmächtiger Überwachungstechnologie".

Der mysteriöse Katechon

Die Lösung für dieses Dilemma findet Thiel in einem obskuren theologischen Konzept: dem Katechon, dem "Aufhalter". Dieser Begriff aus dem Neuen Testament beschreibt eine Macht, die sowohl Armageddon als auch den Antichristen zurückhält. Carl Schmitt, der umstrittene Staatsrechtler der Weimarer Zeit, interpretierte den Katechon als christliche Ordnungsmacht, die notfalls auch Gewalt anwenden darf, um das Chaos zu verhindern.

Wolfgang Palaver, Theologieprofessor aus Innsbruck und langjähriger Diskussionspartner Thiels, berichtet in dem Podcast "Die Peter Thiel-Story" von einem Abendessen in Thiels bunkerähnlicher Villa in Beverly Hills: "Der Hauptpunkt war Christentum, Katechon, Carl Schmitt. Das war der Grund, warum er mit mir über diese Sachen reden wollte."

Besonders brisant: Dieselbe Katechon-Interpretation nutzt Wladimir Putin zur ideologischen Rechtfertigung seiner Politik. Der orthodoxe Patriarch Kiril bezeichnete den Ukraine-Krieg als "heiligen Krieg", wobei Russland als "Aufhalter gegen westliche Dekadenz" fungiere.

Der König von Amerika

Thiels theologische Spekulationen haben handfeste politische Konsequenzen. Mit J.D. Vance hat er einen Protégé gefördert, der ohne Thiels 15-Millionen-Dollar-Spende wohl nie Senator und schon gar nicht Vizepräsident geworden wäre. Vance, der sich einst als "Never Trumper" bezeichnete, wandelte sich unter Thiels Einfluss zu einem Verfechter autoritärer Staatsvorstellungen.

Der Wandel zeigt sich in Vances eigenen Worten: 2022 sprach er in einem Livestream davon, "die aktuelle amerikanische Führungsschicht komplett zu ersetzen, wie einen Tumor herauszureißen" und stattdessen "ein Bewusstsein für eine amerikanische politische Religion zu schaffen". Curtis Yarvin, der antidemokratische Denker und Thiel-Freund, sieht in Vance den idealen Kandidaten für eine "amerikanische Monarchie" – einen Herrscher, der alle Amerikaner vereint, von den abgehängten Arbeitern bis zu den Yale-Eliten.

Die neue Weltordnung

Während Trump und Musk das Spektakel lieben, arbeitet Thiel systematisch an einer post-liberalen Weltordnung. Sein Biograf Max Chafkin konstatiert: "Thiel hat eine wahnsinnige Menge an Einfluss erworben und sich praktisch ins Zentrum der globalen Macht gesetzt."

Was als Investment in eine Gebets-App begann, entpuppt sich als Teil eines größeren Plans: der Erschaffung einer neuen amerikanischen Identität, die sich nicht mehr an universellen Menschenrechten oder internationaler Kooperation orientiert, sondern an der Vorstellung, das letzte Bollwerk gegen den Untergang der Zivilisation zu sein. In Thiels Weltbild steht Amerika vor der Wahl: Katechon werden oder untergehen.

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